Nelson, das Weihnachtskaetzchen
hoffnungsvolle Stimmung ihrer Tochter, obwohl sie doch Nelson nirgendwo gefunden hatten. Anna erklärte kurz, was sie sich ausgedacht hatte, und fragte Dorothee, was sie davon hielt.
»Die Idee ist toll, Anna«, sagte Dorothee. »Aber es ist nicht nötig, dass du uns hilfst. Du hast doch schon genug getan. Mit dem Reisebüro habe ich jetzt alles geregelt, ich kann mich also auch selbst darum kümmern.«
»Ich helfe doch gern, Dorothee. Wirklich. Ich mache es Marie zuliebe. Und außerdem fehlt mir der kleine Kater ja auch.«
»Also gut. Dann komm morgen am frühen Nachmittag nach dem Essen zu uns. Dann legen wir los mit den Plakaten.«
Die beiden verabschiedeten sich voneinander, und Anna überquerte die Straße. Dunkelheit hatte sich über die Stadt gelegt, und überall in den Vorgärten glitzerte die Weihnachtsbeleuchtung. Anna war immer noch nicht dazu gekommen, den Adventsschmuck aus dem Keller zu holen. Sie würde das später machen. Oder morgen.
In ihrem eigenen Haus waren einige Zimmer erleuchtet. Das Fenster von Max strahlte blassblau im Widerschein seines Computers, während eine Etage darüber bei Laura Festbeleuchtung herrschte. Sie war inzwischen nach Hause gekommen und hatte ein paar Mädchen aus ihrer Klasse mitgebracht. Es schien gute Stimmung zu herrschen. Die Mädchen sprangen durch den Raum und bewarfen sich mit Kissen. Anna wusste nicht, wann sie ihre Tochter das letzte Mal so ausgelassen gesehen hatte. In ihrer Gegenwart kam das so gut wie nie vor.
Sie kam sich vor wie eine Fremde, wie sie da in der Kälte vor dem Haus stand und traurig durch die Fenster spähte. Als gehörte sie gar nicht dazu.
Scheinwerfer erfassten sie, ein Auto bog auf die Auffahrt. Ihr Mann kam von der Arbeit nach Hause. Klaus war heute früher dran als gewöhnlich. Oft kam er erst spät abends aus der Kanzlei. Er arbeitete zu viel, aber das sagte sie ihm schon seit Jahren.
Er trat an sie heran, gab ihr einen Kuss und legte den Arm um ihre Taille. Dann folgte er ihrem Blick zum Haus.
»Was machst du hier draußen?«, fragte er.
»Manchmal habe ich das Gefühl, ich kenne die beiden gar nicht mehr«, sagte Anna.
Er lächelte. »Unsinn. Das sind Max und Laura. Du kennst sie, seit sie auf der Welt sind.«
»Schon. Aber irgendwie fühlt es sich gar nicht mehr so an. Ach, ich weiß auch nicht.«
»Lass uns reingehen, Schatz. Ich habe schrecklichen Hunger.«
Anna dachte an ihre Küche. Dort musste es aussehen, als wäre eine Bombe detoniert. Den eingetrockneten Teig konnte sie vermutlich wegwerfen, Plätzchen würde sie daraus keine mehr machen. Aber das störte sie nicht. Der Nachmittag war schön gewesen, es war richtig, mit Marie zu den Tierheimen zu fahren.
»Ich brauche aber noch einen Moment«, sagte sie. »Ich habe noch gar nicht angefangen mit dem Abendessen.«
»Wenn du möchtest, können wir auch essen gehen.«
Sie zögerte, doch da verbeugte er sich bereits vor ihr und lächelte sein typisches Lächeln, in das sie sich damals verliebt hatte.
»Darf ich Sie zum Essen einladen, schöne Frau?«
Anna hakte sich bei ihm unter. »Also gut. Gehen wir heute essen. Zum Italiener?«
»Wohin du auch möchtest.«
Er führte sie zum Haus. Sie schwiegen.
»Wie willst du dieses Jahr Weihnachten feiern?«, fragte Klaus unvermittelt.
»So wie immer. Wieso fragst du?«
»Du meinst also, nur wir vier?«
Anna schwieg. Sie wollte über dieses Thema lieber nicht reden. Es reichte schon, dass Laura immer wieder mal eine dumme Bemerkung machte.
»Irgendwann musst du es den Kindern erklären«, meinte Klaus mitfühlend.
Anna schwieg. Das Thema wieder. Doch Klaus ließ sie nicht aus den Augen.
»Sie können sich doch gar nicht mehr daran erinnern, dass es einmal anders war«, sagte sie schließlich, obwohl sie genau wusste, dass das nicht stimmte.
»Trotzdem musst du ihnen irgendwann die Wahrheit sagen.«
»Die Wahrheit? Es sind Kinder, Klaus. Ich kann doch nicht …«
Anna merkte, wie sie sich aus seiner Umarmung löste.
»Es sind keine Kinder mehr«, sagte er.
Er würde sie diesmal nicht mit einfachen Ausreden davonkommen lassen.
»Aber …«
»Es wird Zeit, dass du ihnen die Wahrheit sagst. Sie haben es verdient. Denk mal darüber nach.«
Er lächelte. Wie es aussah, war sie vorerst erlöst.
»Und jetzt lass uns reingehen«, meinte er. »Dann können wir uns in Ruhe überlegen, wo wir heute essen werden. Hier draußen ist es furchtbar kalt.«
7
Nelson wünschte sich so sehr, wieder nach Hause zu finden. Zu
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