Nelson DeMille
Bellarosa besprochen werden, und dieses Thema wollte ich mir bis zuletzt aufheben.
Susan hatte sich natürlich in den letzten zehn Jahren verändert, wie wir alle, aber ich kannte diese Frau und war mir ziemlich sicher, dass sie Amir Nasims Sorgen für albern, paranoid oder schlimmstenfalls für berechtigt halten würde, ohne sich selbst davon betroffen zu fühlen. Was Mr Anthony Bellarosas mögliche Vendetta anging ... nun ja, sie würde das einerseits verstehen, andererseits ignorieren. Susan war in einem unglaublich behüteten und privilegierten Umfeld aufgewachsen, und ich war mir sicher, dass sich das auf Hilton Head nicht groß geändert hatte. Ich dachte früher immer, sie hätte das Marie-Antoinette-Syndrom - nicht so sehr die Mentalität, nach dem Motto »Dann sollen sie eben Kuchen essen«, sondern eher die Arglosigkeit, aufgrund derer sie nicht verstand, warum ihr jemand den Kopf abschlagen wollte, von den guten Manieren gar nicht zu sprechen, die sie dazu veranlassten, sich beim Henker zu entschuldigen, weil sie ihm vor der Guillotine auf den Fuß trat.
Nun ja, vielleicht hatte sie sich im Lauf der Jahre verändert, aber ich sah nicht viel davon. Mir fiel allerdings auf, dass sie weniger versponnen wirkte. Vielleicht hob sie sich das als Bonus für später auf, wenn wir uns wieder aneinander gewöhnt hatten.
»Warum bist du zurückgekommen?«, fragte ich.
»Ich hatte Heimweh«, erwiderte sie und fragte mich: »Hattest du Heimweh?« Ich dachte darüber nach. »Die Heimat ist kein Ort.« »Was denn dann?« »Es sind ... die Menschen. Verwandte, Freunde ... Erinnerungen ... und dergleichen.«
»Und? Hat dir das gefehlt?«
»Am Anfang. Aber ... die Zeit heilt alle Wunden, und Erinnerungen verblassen. Die Heimat kann auch erdrückend sein. Ich habe eine Abwechslung gebraucht.«
»Ich auch, aber es hat mich zurückgezogen. Und ich wollte nicht auf Hilton Head sterben.«
»Nein, das wäre zu viel des Guten.«
Sie hätte fast gelacht, dann sagte sie: »Es ist hübsch dort. Ich glaube, dir würde es gefallen.«
»Ich glaube nicht, dass ich es jemals herausfinden werde.« Sie schwieg eine Weile, bevor sie sagte: »Ich habe mein Haus dort behalten ... du kannst es also jederzeit nutzen, wenn du möchtest.« »Nunja ... danke.«
»Es ist in Strandnähe und in der Nähe von zwei Golfplätzen. Sehr erholsam.«
»Klingt... erholsam.« Nachdem wir jahrelang kaum miteinander gesprochen hatten, waren wir jetzt also schon so weit, dass sie mir ihr Haus am Strand zum Erholen anbot. Sie versuchte ihr Bestes, ich nicht. Vielleicht dachte ich, dass sie sich, wie Nasim angedeutet hatte, auf einem schweren Nostalgietrip befand, weshalb sie wieder hergezogen war und mich irgendwie in ihre angenehmen Erinnerungen an die Vergangenheit einbezog. Jedenfalls war mein Leben im Fluss beziehungsweise in der Schwebe oder wo auch immer, und sie hatte sich in einer Vergangenheit eingerichtet, die es nicht mehr gab und die auch nicht wiederbelebt werden konnte.
Sie kam wieder auf ihr Haus auf Hilton Head zu sprechen und sagte: »Ich habe es völlig neu einrichten und meine ganzen Sachen hierher bringen lassen.«
»Hab ich gemerkt«, erwiderte ich und fragte: »Du bist also froh, dass du wieder da bist?«
»Ja. Weißt du, manchmal spürt man es einfach, wenn man den richtigen Schritt gemacht hat.«
»Gut.« Ich konnte mir eine Spitze nicht verkneifen und sagte: »Ich bin mir sicher, dass deine Eltern dich vermissen, sich aber für dich freuen.«
Sie warf mir einen kurzen Blick zu, wusste sie doch aus langer Erfahrung, dass alles, was ich über ihre Eltern sagte, entweder ironisch gemeint oder zweideutig war beziehungsweise schlichtweg garstig. Sie erklärte mir: »Ehrlich gesagt, musste ich relativ wenig Zeit mit ihnen verbringen.«
»Ich kann mir gar nicht vorstellen, warum.«
Sie ignorierte das. »Nachdem Dan gestorben war ... wurde mir klar, dass ich keinen Grund hatte, dort zu bleiben ... Ich meine, Carolyn ist hier, Edward kommt öfter nach New York als nach Hilton Head, und ich habe hier nach wie vor Freunde und Verwandte.«
Und einen Feind auf dem angrenzenden Grundstück. Ich sah jetzt ein, dass Susan sich nicht dazu überreden lassen würde, wegen Anthony Bellarosa wegzuziehen. Ich konnte allenfalls hoffen, ihr den Ernst der Lage, in die sie sich gebracht hatte, klarmachen zu können. Und wenn ich für Anthony Bellarosa arbeitete, hielt ihn das vielleicht sogar von seiner Vendetta ab. Aber letzten Endes kam es
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