Nelson DeMille
und weggegangen.« »Ich habe gesagt: >Entschuldige mich<, nicht >Auf Wiedersehens« »Okay ... Tja, ich war mir nicht sicher ... eigentlich, um ehrlich zu sein, wollte ich gehen.« »Wieso?«
»Das hier ist schmerzlich.« Sie nickte.
So standen wir da, und keiner von uns wusste, was er sagen sollte. Sie hatte mich gebeten, ihr zu vergeben, und nach zehn Jahren sollte ich einfach sagen: »Ich vergebe dir«, und weitermachen. Aber wenn ich das sagte, musste ich es ernst meinen, und wenn ich es nicht ernst meinte, würde sie es merken.
Sowohl Susan als auch ich waren in einer Welt und einer Gesellschaftsschicht aufgewachsen, in der uns Sachen wie Sünde, Buße und Wiedergutmachung in der Kirche, in St. Paul's, an der Friends Academy und selbst zu Hause eingetrichtert wurden. Diese Welt mochte untergegangen sein, und wir beide waren möglicherweise so weit vom Kurs abgekommen, dass wir nie wieder Land sehen würden, doch wir waren immer noch Produkte dieser Welt. Deshalb und weil ich wusste, dass sie verstehen würde, was ich meinte, sagte ich zu ihr: »Susan, ich kann und will deine Entschuldigung für alles annehmen. Wirklich. Aber ich bringe es weder über mich, noch habe ich die Kraft, dir zu vergeben.«
Sie nickte. »Das verstehe ich. Hasse mich einfach nicht mehr.«
»Ich hasse dich nicht.«
»Hast du aber getan.«
»Niemals. Ich habe es dir gesagt... auf der Treppe vor dem Gerichtsgebäude ... erinnerst du dich?«
»Durchaus.« Und sie erinnerte mich: »Du hast zu deiner Schwester gesagt, du willst nach Hilton Head segeln. Ich habe auf dich gewartet.«
Die Sache wurde wieder schmerzlich, das musste wohl so sein, bevor es endlich aufhörte wehzutun. Ich sagte: »Ich bin hingesegelt... aber ich habe kehrtgemacht.«
»Und bist losgesegelt, um die Welt zu sehen.«
»Ganz recht.«
»Du hättest auf See verloren gehen können.«
»Das hatte ich nicht vor, falls du das andeuten willst.« »Das hast du gesagt, nicht ich.«
»Thema beendet«, sagte ich.
»Alle haben sich Sorgen gemacht. Deine Eltern, deine Kinder -«
»Auch das war nicht beabsichtigt. Es ging einfach darum, für nichts verantwortlich zu sein und hemmungslos genießen zu können. Nicht mehr und nicht weniger. Ich hatte es verdient.« Ich erinnerte sie: »Thema beendet.«
»In Ordnung.« Sie griff ein leichteres Thema auf: »Danke für die Blumen.«
»Das sind eigentlich deine Blumen.«
»Das weiß ich. Aber trotzdem danke für die Geste.« »Gern geschehen.« »Ich bin gerührt, dass du dich erinnert hast.«
Mir machte immer noch ihre Unterstellung zu schaffen, dass ich um die Welt gesegelt wäre, weil ich ein verzweifeltes, sich selbst bemitleidendes, todunglückliches, um Mitgefühl heischendes, selbstmordgefährdetes Wrack von einem Mann war.
Frauen verstehen verantwortungsloses Verhalten einfach nicht, deshalb wandte ich mich wieder dem beendeten Thema zu und sagte: »Außerdem war es eine Herausforderung.«
»Was?«
»Mit einem kleinen Boot um die Welt zu segeln.« »Oh ... ich dachte, du hast gesagt, das Thema -« »Männer genießen den Reiz der Gefahr.«
»Tja ... ich glaube nicht, dass es die Menschen, die zu Hause warten, genießen, aber du hast es getan, und ich kann nur hoffen, dass du dich ausgetobt hast.«
»Vielleicht.« Auf diese Bemerkung hin beschloss ich aufzugeben, deshalb sagte ich: »Ich möchte nicht, dass du zu spät zur Kirche kommst. Warum treffen wir uns nicht morgen?«
»Ich glaube nicht, dass ich in der Stimmung bin, den Leuten in der Kirche zu begegnen.«
Meiner Ansicht nach bestand der Sinn eines Kirchgangs nicht darin, Leuten zu begegnen, und mir war auch nicht klar, in was für einer Stimmung man sein musste, um ihnen dort begegnen zu wollen, aber ich sagte: »Vielleicht fühlst du dich besser, wenn du zur Kirche gehst.«
Ohne darauf einzugehen, fragte sie: »Warum gehen wir nicht spazieren?«
Ich dachte darüber nach. »Na schön ... «
Ich zog meinen Blazer aus und hängte ihn über den Sessel, dann gingen wir durch das Gartentor. Susan nahm eine der Rosen mit. Es war wie in alten Zeiten, nur dass es nicht so war. Und es würde auch nie wieder so sein. Wir würden nicht wieder zusammenkommen, aber wenn wir uns diesmal verabschiedeten, konnten wir sagen: »Melde dich mal.« Es würde weitere Beerdigungen und Hochzeiten geben, Geburten und Geburtstage, und neue Menschen würden in unser Leben treten, und das wäre in Ordnung, und wir konnten uns im gleichen Zimmer aufhalten und sogar lächeln;
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