Nelson sucht das Glück
Oliver jedoch fand Nelsons einzigartigen Tanz auf drei Beinen einfach nur lustig. Er konnte nicht mehr aufhören zu lachen, als der Hund auf dem Boden herumhüpfte, und tanzte mit, wobei er versuchte, Nelsons Geheul nachzuahmen. In diesem Moment jedoch hob Jake den Tonarm von der LP, und die Musik brach ab. Oliver fragte, warum er sie ausgeschaltet hatte, während Jake sich hinkniete und Nelson über den kleinen Kopf strich. Der Hund beruhigte sich wieder und blickte voller Trauer zu seiner Familie empor. Jake sagte zu Oliver, der kleine Hund sei traurig und dass es sicher besser sei, ihn nicht mehr tanzen zu lassen.
In dieser Nacht konnte Jake nicht schlafen. Er lag wach und grübelte über das Verhalten des Hundes nach. Dass Hunde auf Musik reagierten, wusste er, doch es war eine bemerkenswert intensive Reaktion gewesen. Jake hatte sich schon oft gefragt, was der Hund wohl für eine Geschichte erlebt und was er alles durchgemacht hatte. War er vielleicht misshandelt worden? Jake hoffte, dass das nicht der Fall war. Der dreibeinige Hund hatte seinem Sohn dabei geholfen, über den Tod der Mutter hinwegzukommen, und er würde ihn mit allen Mitteln verteidigen.
Schon bald verblassten die Erinnerungen an die seltsamen Ereignisse jenes Tages. Nelson schien sich von seiner Gelenksteife etwas zu erholen, und das Leben ging weiter. Erst drei Monate später wurde Jake wieder an die Auswirkungen des Beatles-Songs auf Nelson erinnert. Auf Normas Beharren hin hatten sie am Nationalfeiertag einen Grillabend veranstaltet. Norma ließ einfach nicht locker, was seine fehlenden Kontakte anging, und allmählich fragte schon die ganze Familie, warum man sich denn nicht mehr traf. Irgendwann gab Jake nach und lud alle ein, die ihm in den Sinn kamen. Und tatsächlich tat es gut, viele seiner Familienmitglieder, die er seit Lauries Begräbnis nicht mehr gesehen hatte, wieder einmal um sich zu versammeln. Was ihm allerdings etwas peinlich war, waren die Frauen, die einige seiner Verwandten mitgebracht hatten und mit denen man ihn ganz offensichtlich verkuppeln wollte. Einmal musste er sogar seinen Cousin zurechtweisen, als dieser sich, ein wenig betrunken und wie immer sehr laut, mit einer Videokamera vor ihm aufbaute und wissen wollte, was er denn von einer gewissen rothaarigen Freundin seiner Frau halte, die er zu dem Barbecue mitgebracht hatte.
Jake stand gerade am Grill, als er von drinnen die Klänge von » Here Comes the Sun« hörte. Und wie nicht anders zu erwarten, ertönte kurz darauf Nelsons Geheul. Jake warf rasch das Fleisch auf den Grill und lief ins Haus. Als er ins Wohnzimmer kam, standen vier oder fünf seiner Angehörigen im Zimmer, stampften im Takt mit den Füßen und klatschten, während Nelson herumhüpfte und seine sonderbare Heul- und Tanznummer zum Besten gab. Jake war klar, dass Oliver die Platte aufgelegt haben musste, weil er fand, Nelsons Tänzchen sei bestimmt eine gelungene Showeinlage für die Gäste. Alle waren etwas beschwipst und lachten über den Hund. Einen Moment lang war Jake wütend auf Oliver, doch er wusste, der Junge hatte es nicht böse gemeint. Ganz ruhig hob er den Tonarm von der Schallplatte, und die Musik verstummte. Alle stöhnten entrüstet auf. Einen Moment lang verlor Jake die Fassung und schrie alle an, sie sollten den Hund in Ruhe lassen. Er ging in die Knie und nahm Nelson in die Arme. Schuldbewusst hockte sich Oliver neben ihn, schaute seinen Vater an und streichelte gleichzeitig dem Hund den Kopf. Nelson hatte sich schnell wieder beruhigt, blieb aber den Rest des Tages traurig und teilnahmslos. Als Jake an diesem Abend seinem Sohn einen Gutenachtkuss gab, blickte der kleine Hund mit besonders kummervollen Augen zu ihm empor.
39
Sieben Monate später erhielt Jake einen seltsamen Anruf von seinem Cousin Tony. Er sprach nicht oft mit Tony, und wenn, dann hatte es mit Geld zu tun, das Tony sich von ihm für eine neue Geschäftsidee borgen wollte. Und so zögerte Jake, als er auf dem Display seines Handys Tonys Nummer sah, beschloss jedoch, es hinter sich zu bringen und den Anruf anzunehmen. Nach dem üblichen Geplänkel trat ein unbehagliches Schweigen ein, und Jake rechnete damit, Tony würde gleich mit der üblichen Bitte um Geld an ihn herantreten. Jake wappnete sich dafür, ihm diesmal zu sagen, er würde ihm nichts geben, weil er bereits zu oft sein Geld nicht mehr zurückbekommen hatte. Doch Tony ging es nicht ums Geld. Er sagte zu Jake, er habe endlos viele Mails von einer
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