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Nemesis 03 - Alptraumzeit

Nemesis 03 - Alptraumzeit

Titel: Nemesis 03 - Alptraumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
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umfangreichen Wissen zu beeindrucken. Die Zielsicherheit ihrer Bewegungen machte mir unmissverständlich klar, dass uns wieder ein weiterer, unfreiwilliger Schnellkurs bevorstand. Ich unterdrückte nur mühsam ein Stöhnen und vergrub die Fäuste noch etwas tiefer in den Taschen. Ein kurzer, schmerzhafter Blitz zuckte hinter meiner Stirn auf und setzte sich in meinem Hinterkopf fest.
    »Ich hab gleich gewusst, dass es mit diesem Bild etwas Besonderes auf sich hat.« Maria reichte das Foto mit einem siegessicheren Lächeln, das auf ihrem Gesicht vollkommen fehl am Platz, ja regelrecht entartet wirkte, an Judith weiter. »Es verrät, dass unser Wohltäter mehr war als nur ein Lehrer und Schulleiter.« Sie deutete auf einen zweiten Mann im Laborkittel, der auf dem Bild schräg hinter Sänger stand. »Darf ich vorstellen: Richard Krause.« Sie warf Ed einen vernichtenden Blick zu.
    Ich konnte Eds Gesicht unter den Pflastern, mit denen Ellen es regelrecht hatte tapezieren müssen, kaum erkennen, was bisher aber keine große Einschränkung bedeutet hatte; die einzigen funktionsfähigen Muskeln, die seiner Visage Ausdruck verleihen konnten, schienen jene zu sein, die für das Zurückziehen der Mundwinkel und somit für das saublöde Grinsen, das er uns bei jeder möglichen Gelegenheit demonstrierte, verantwortlich waren. In diesem Moment aber verweigerten ihm selbst diese Gesichtsmuskeln ihren Dienst. Vielleicht täuschte ich mich, aber ich glaubte zu erkennen, wie die Haut zwischen all den Pflastern deutlich an Farbe verlor.
    Während ich Judiths, Ellens und Carls Reaktion entnahm, dass sie genau wie ich nicht die leiseste Ahnung hatten, wer Richard Krause war, was Maria uns damit eigentlich sagen wollte und ob es uns überhaupt interessierte, wirkte Ed überrascht und auch ein wenig betroffen. Für die Dauer einiger Lidschläge betrachtete er Maria stumm, dann wandte er wortlos den Blick ab und starrte an ihr vorbei ins Leere. Maria hatte mit wenigen Worten geschafft, was ich nie für möglich gehalten hätte: Sie hatte dafür gesorgt, dass es Ed die Sprache verschlug – was auch immer es denn nun sein mochte.
    Obwohl ich eigentlich keine Lust auf eine weitere Nachhilfestunde in NS-Geschichte gehabt hatte, beobachtete ich nun – durch Eds ungewohnte Reaktion neugierig geworden –, wie Maria ein weiteres Buch vom Küchentisch nahm und es bei einer Seite aufschlug, die sie vorsorglich mit einem Eselsohr versehen hatte. Darauf prangte ein Schwarzweißfoto eines jungen Mannes in einer Uniform, der mit keck sitzender Uniformmütze und fröhlichem Gewinnerlächeln an der Theke eines Fotogeschäfts lehnte. Ohne den deutlich zu erkennenden Totenkopf der SS auf dem Kragenspiegel hätte der Mann zweifellos einen nicht unsympathischen Siegertypen abgegeben. So aber wirkte er ein bisschen wie eine Karikatur seiner selbst.
    »Darf ich vorstellen.« Maria präsentierte uns das Foto mit einer Geste, die ich bislang nur aus besonders teuren Restaurants kannte, in denen der Kellner einen sündhaft teuren Wein an den Tisch bringt – sprich: nur aus dem einen oder anderen Film. Aber der triumphierende Klang ihrer Stimme und dazu ihre unterwürfige Körperhaltung passten nicht zusammen. »Richard Krause«, erklärte sie.
    »Oder besser gesagt Sturmbannführer Richard Krause.
    1932 in die NSDAP eingetreten und 1935 Mitglied der Allgemeinen SS geworden. Er trägt diese Uniform aus Überzeugung. Sturmbannführer ist er ab 1943. Das ist die Zeit, in der er in besonderer Mission in Polen, der Ukraine und in Weißrussland unterwegs ist. Und jetzt schaut euch diesen blonden, blauäugigen Musterarier mal genauer an! Fällt euch was auf?«
    Sie warf ein gewinnendes Lächeln in die Runde, das mir nicht gefiel. Vorhin in der Eingangshalle hatte ich einen plötzlichen, völlig ungerechtfertigten Hass auf sie empfunden, den ich noch immer nicht ganz hatte ablegen können, obwohl die komplexe Maschinerie hinter meiner Stirn, die mir wohl für eine kurze Weile ihren uneingeschränkten Dienst verweigert hatte, wieder lief, seit ich die Küche betreten hatte. Zu diesem Rest ungerechtfertigter Wut auf Maria gesellte sich nun zusätzlich eine meiner Meinung nach vollkommen gerechtfertigte, rational erklärbare Abneigung: Ihre Haltung, ihr Tonfall und ihre Mimik wirkten regelrecht boshaft. Ein weiterer, vergewissernder Blick auf das Foto in dem aufgeschlagenen Buch, das sie noch immer in die Runde hielt, bestätigte mir, dass ich mich nicht getäuscht

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