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Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs

Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs

Titel: Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
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wenigstens so weit unter Kontrolle zu halten, dass sie mich nicht einfach aus dem Raum und durch das finstere Labyrinth sprinten ließen, womit ich nichts anderes erreicht hätte, als mich in meiner Panik hoffnungslos zu verirren und einen vor Wut rasenden Carl mit den beiden Frauen zurückzulassen, an denen er vielleicht auf widerlichste Weise seinen Ärger über meine Flucht auslassen würde.
    Der Wirt riss die Tür auf. Ein kühler Luftzug schlug mir entgegen, der einen fast erstickenden Geruch chemischer Substanzen mit sich führte. Ich kannte diesen Gestank. Ich wusste ihn nach wie vor nicht zu benennen, aber ich kannte ihn besser, als mir lieb sein konnte, genauer, als es irgendeinem normalen Menschen auf dieser Welt recht sein durfte. Es war kein Déjà-vu, es waren Erinnerungen, zum Greifen nah, und doch unerreichbar, als lägen die imaginären Hände in zentimeterdicken stählernen Ketten – Ketten wie jene, die in die Wände der verliesartigen Zellen eingelassen waren; Erinnerungen, eingesperrt in spartanisch eingerichtete Kammern, durch die Schreie der Angst, der Verzweiflung, der Hilflosigkeit schallten. Todesangst.
    »Formalin«, stellte Ellen leise fest, während sie an Carls Seite trat und den Strahl der Lampe durch den Raum hinter der zweiten Tür schweifen ließ. »Das riecht hier wie im alten Anatomiesaal meiner Uni.«
    Die Ärztin und der Wirt traten einen Schritt weit in den Raum hinein. Judith folgte ihnen und zog mich einfach mit.
    Der gelbe Lichtstrahl riss lange Regale aus der Dunkelheit; grau angelaufene, metallene Regale mit Unmengen von Glasbehältern verschiedener Größen, die den Einmachgläsern aus der Vorratskammer im vorderen Teil des vom Haupthaus zugänglichen Kellerabschnitts glichen.
    »Beim letzten Mal waren es nur alte Pflaumen«, sprach Judith aus, was ich mich zu denken bemühte, aber ich hörte aus ihrer Stimme heraus, dass sie sich selbst so wenig glaubte wie ich mir. Wie im alten Anatomiesaal meiner Uni, hallten Ellens Worte in meinem Kopf wider.
    Formalin ...
    Die stählernen Regale waren parallel zu unseren Seiten angeordnet und bildeten so einen Gang. Durch ihre offenen Rückseiten hindurch ließ sich erkennen, dass der Raum, den wir betreten hatten, von erheblicher Größe war und von unzähligen weiteren, schmale Gänge bildenden, allesamt identischen, schlichten Regalen ausgefüllt wurde.
    Sie alle waren von oben bis unten mit versiegelten Gläsern ausgefüllt, die von der Größe kleiner Marmeladengläser bis hin zu solchen reichten, die das Ausmaß von 20-Liter-Fässchen annahmen. Ellen tastete mit dem Strahl der Lampe die gegenüberliegende Seite des gewaltigen Raumes ab, in die zwei weitere Türen eingelassen waren, von denen die linke mit Schallraum, die rechte schlicht als Raum XIII gekennzeichnet war. Davor standen mehrere Keramikbecken, die, mit Glasscheiben abgedeckt, scheinbar luftdicht verschlossen waren und mich von ihrer Form und Größe her an ausgediente Badewannen erinnerten, wie man ihnen oft als Tränke auf Tierweiden begegnet. Selbst von hier aus konnte ich erkennen, dass die durchsichtigen Platten, mit denen sie verschlossen waren, wie sämtliche Gläser in den Regalen mit ehemals weißen, mit der Zeit vergilbten Etiketten gekennzeichnet waren, auf denen Buchstaben und Zahlencodes sowie Jahreszahlen prangten. Die meisten Behälter stammten demzufolge aus den Jahren 1943 und 1944, nur wenige waren von 1945.
    Ich kämpfte mühsam gegen meinen kaum noch beherrschbaren Fluchtinstinkt an und weigerte mich zum ersten Mal, seit ich mich erinnern konnte, ganz bewusst, der Stimme meines Verstandes Gehör zu leisten, die mir sehr objektiv mitteilte, wo wir hier gelandet waren und was uns hier erwartete. Mit einem widersprüchlichen Gefühl widerwilliger Neugier betrachtete ich die Gläser zu meiner Rechten, welche auch Ellens Interesse geweckt hatten, sodass sie den Lichtstrahl des Scheinwerfers einige Augenblicke lang darauf ruhen ließ. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich einen Schatten irgendwo hinter den nächsten zwei oder drei aus Regalen gebildeten Gängen wahrzunehmen, und mein Herz machte einen derart erschrockenen und schmerzhaften Satz, dass ich das Gefühl hatte, es würde meine Rachenmandeln berühren und erst dann wieder an seinen von der Natur vorgegebenen Platz hinter meinen Rippen zurückschnellen. Aber es war wohl nur der Strahler, der gespenstische Schatten durch den Raum tanzen ließ.
    Ich konzentrierte mich wieder auf die

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