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Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs

Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs

Titel: Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
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dezenter Spitze gerahmten Schlüpfer, bis auf letzteren nackt war. Auch das Haar der beiden war stellenweise geschoren worden, um jene Gummielektroden an ihre Köpfe zu pappen – selbst vor Ellens seidenglatter, feuerrot gefärbter Mähne hatte derjenige, der uns auf so unwürdige Weise behandelt hatte, nicht Halt gemacht, und die verschiedenfarbigen Kabel, die von den Elektroden in die Kabel zu den hölzernen Kisten neben den Stühlen hinabführten, hingen wie glitschige, gierig an menschlichen Erinnerungen saugende Tentakel eines futuristischen Ungeheuers von ihren rasierten Köpfen herab.
    Vielleicht war es mein Schrei gewesen, der auch sie aus der Ohnmacht, in der sie wie ich gefangen gewesen waren, befreit hatte; jedenfalls blickten beide Frauen in diesem Moment gleichsam verwirrt und blinzelnd an ihren Körpern hinab. Ellens Gesicht blieb dabei zunächst völlig ausdruckslos und wirkte wie paralysiert. Vielleicht versuchte sie ebenso verzweifelt wie ich zu begreifen, was geschehen war. Vielleicht hatte sie es längst begriffen und versuchte, es nun zu verarbeiten. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie darin bald vorzeigbare Erfolge zu verzeichnen hätte.
    »Das ... das kann nicht sein.« Judith hatte die Augen noch nicht vollständig geöffnet, sondern blinzelte noch immer müde, kaum mehr als halb wach an sich herab, begann aber trotzdem, hektisch nach den bunten Kabeln, die sich über ihren vollen Busen schlängelten, zu tasten.
    »Ich doch nicht ...« Sie klang ungläubig und fassungslos, der Verzweiflung nah. »Mir kann doch nichts passieren«, stammelte sie hilflos. »Warum ... warum ich?«
    Weil du sie nicht beschützt hast, ertönte eine vorwurfsvolle, nur für mich hörbare Stimme in meinem Bewusstsein. Weil du ihr versprochen hast, für sie da zu sein, und sie im Stich gelassen hast, du bescheuertes Weichei. Weil du dich einmal mehr von diesen verfluchten Kopfschmerzen hast außer Gefecht setzen lassen, du Möchtegernheld, du verdammte Lusche, du Warmduscher! Von Kopfschmerzen!
    Ich schämte mich. Mit hektischen wie energischen Bewegungen begann ich mich von den klebrigen Elektroden zu befreien, die auf meiner Haut hafteten, und war trotz allem schier unerträglichen Schmerz, der noch immer hinter meiner Stirn pochte, mit zwei, drei schnellen Schritten bei ihr drüben und half ihr, sich von ihren Kabeln zu befreien. Was auch immer man ihr angetan hatte – ich hatte es nicht verhindern können. Ich konnte nichts anderes tun als versuchen, den Schaden, für den ich mich mitverantwortlich fühlte und dessen Ausmaße ich längst nicht erahnen konnte und wollte, zu begrenzen. Ich wollte mich reuig zeigen und hoffen, dass sie mir verzieh. Einmal mehr bemerkte ich die feine, waagrecht verlaufende Narbe auf ihrem Bauch, die zwischen einem Speckfältchen verschwand, sobald sie ihre Bauchmuskeln einen Moment lang nicht anspannte, und trotz der für Schamgefühle oder dergleichen unpassenden Gelegenheit bemühte sie sich sichtbar darum, das zu tun. Ich musste lächeln, verfluchte mich aber in derselben Sekunde für meinen unangemessenen Gedanken über den Sinn und Nutzen eines solchen samtweichen Speckröllchens und betete, dass Judith meinen Blick nicht beobachtet hatte. Es war wirklich nicht der richtige Augenblick für Scherze, nicht einmal für solche, die man nicht aussprach, und schon gar keiner für das erotisierende Prickeln, das im ebenfalls unangebrachtesten aller Momente durch meine Lenden schlich. Ich bemühte mich um ein sicherndes Maß körperlicher Distanz, ohne ihr dabei versehentlich das ungerechtfertigte Gefühl zu geben, von ihrem etwas pummeligen Körper, für den sie sich sichtbar schämte, Abstand nehmen zu wollen. Ich ging vor ihr in die Hocke und legte ihr eine Hand auf das unbekleidete Knie, während ich ihr mit der anderen in einer beruhigenden Geste durch das fuhr, was man von ihrer Haarpracht übrig gelassen hatte. Ich durfte mir nicht gestatten, ein weiteres Mal vor den Schrecken der Wirklichkeit in eine Euphorie zu flüchten, wie sie zuletzt im Duschraum von mir Besitz ergriffen hatte. Dieser Ort war grausam, unsere Lage eine durch und durch beängstigende, die Atmosphäre eine düstere und bedrohliche, die Schreckliches erahnen ließ, das uns vielleicht noch widerfahren würde.
    Ich wandte meinen Blick von ihrem Körper ab, betrachtete ihr Gesicht und erschrak, als ich den Ausdruck registrierte und deutete, der darauf lag. Ihre Haut hatte eine aschfahle Farbe angenommen, unter

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