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Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs

Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs

Titel: Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
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Althippie wäre auf einen solchen Gedanken gekommen, egal, wie beruhigend diese Vorstellung auf mich wirken mochte, weil mir alles lieber gewesen wäre, als über Ellens sehr viel realistischere Vermutung nachzudenken. Ratten in einem Labor. Versuchstiere in einem Käfig. Gefangen, benutzt und ... Abgeschlachtet?
    »Was ... macht man mit Laborratten, wenn der Versuch beendet ist?«, fragte ich stockend und wünschte mir, diese Frage nie laut ausgesprochen zu haben, weil ich die Antwort längst kannte und eigentlich überhaupt nicht hören wollte.
    Das Entrückte schwand aus Ellens Zügen und machte einem zynischen Lächeln Platz, das über ihre Lippen huschte, aber nicht bis zu ihrem ausdruckslosen Blick vordrang. »Je nachdem«, antwortete sie trocken. »Wenn der Versuch sie in einer Weise beeinträchtigt hat, die sie für weitere Versuche untauglich macht, ist man gnädig und schläfert sie ein. Das ist meistens der Fall. Manchmal verwendet man sie nach einer kurzen Erholungsphase aber auch für eine neue Versuchsreihe.«
    Man schläfert sie ein, schoss es mir durch den noch immer erbärmlich schmerzenden Kopf. Mit einem Napola-Dolch, den man ihnen zwischen die Rippen rammte, wie bei Stefan, der nach seinem Sturz schwer verletzt gewesen war, oder man durchtrennte ihnen mit einer rasiermesserscharfen Klinge die Kehle, wie man es mit Ed getan hatte, weil er nach dem Unfall mit dem Friedenstauben-Jeep des Hippies nicht mehr bewegungsfähig war. Erlegte man sie mit einer bleiernen Kugel, Kaliber Achtunddreißig, die man sie sich selbst durch den Schädel zu jagen nötigte, wie bei Maria auf den Zinnen des Turmes ? Was würde man sich für uns einfallen lassen? Ich tastete nach meinen heftig pochenden Schläfen. Wie stark war ich beeinträchtigt? War ich noch regenerationsfähig? Und wollte ich es überhaupt noch sein?
    Ja, verdammt noch mal! Ich wollte leben! Ich hatte ein Recht darauf!
    »Und was ist mit Ratten, die nach dem Ende der Versuche ein Gnadenbrot bekommen ...?«, flüsterte ich in fast flehendem Tonfall.
    Das Lächeln verschwand aus Ellens Antlitz. »Das ist unökonomisch«, antwortete sie hart und maß mich mit einem eisigen Blick, als trüge ich die alleinige Schuld an unserer verzweifelten Lage. »Ein Gnadenbrot gibt es nicht.«
    »Wie gut, dass wir keine Ratten sind«, beendete Judith die finstere Diskussion. Ihre Stimme klang entschieden, fast schon energisch. Sie wollte, durfte diese Argumentation nicht an sich heranlassen, durfte nicht in Betracht ziehen, dass Ellen Recht haben könnte mit ihren düsteren Prophezeiungen. Sie wäre daran zerbrochen. Ich trat an ihre Seite und griff nach ihrer Hand.
    »Wir müssen hier raus«, sagte ich leise. »Und zwar so schnell wie möglich.«
    »Eine sensationelle Erkenntnis.« In Ellens Augen blitzte es spöttisch auf. Ich hätte sie hassen müssen für ihre verfluchte Arroganz, aber irgendwie war ich in diesen Sekunden ganz froh, dass sie wieder in ihre liebste Rolle der über allem und jedem stehenden Akademikerin schlüpfte.
    Ihre Selbstsicherheit, und sei sie noch so aufgesetzt, gab mir wenigstens ein winziges Gefühl von Halt. Außerdem war ein Streit mit der jungen Ärztin immer noch gesünder, als weiter über ihre vielleicht nicht allzu weit hergeholten Theorien nachzugrübeln und über kurz oder lang daran zu verzweifeln. »Wir könnten nachsehen, ob wir in der anatomischen Sammlung ein paar Flügel und geeignetes Werkzeug finden, um sie uns an die Schulterblätter zu montieren und damit über die Burgmauern zu fliegen«, schlug sie in verächtlichem Tonfall vor.
    »Jede Burg dieser Art verfügt über einen geheimen Fluchtgang für den Fall einer Belagerung«, beharrte ich.
    Den Weg, der laut der Baupläne, die wahrscheinlich noch immer im Hosenbund des Wirtes steckten, durch den runden Saal unter dem Turm aus der Burg hinausführte, gab es offensichtlich nicht oder nicht mehr, aber ich bemühte mich trotzdem krampfhaft um einen vagen Optimismus, dass wir doch noch durch den Keller hindurch vom Burgfelsen herunterfinden könnten. Verzweifelt versuchte ich mich an Details auf diesen vergilbten Plänen zurückzuerinnern.
    »Vielleicht sind wir einfach in die falsche Richtung gelaufen«, schlug ich schließlich vor, ohne von meinen eigenen Worten besonders überzeugt zu sein. Vielleicht hätten wir an der letzten Gabelung nicht nach links in den Saal hinein, sondern den entgegengesetzten Weg gehen müssen.«
    »Vielleicht hatte Carl von vornherein vor, uns

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