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Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs

Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs

Titel: Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
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was sie so sehr erschreckt hatte, doch dann spürte auch ich, wie meine Knie einen Streik anzutreten und nachzugeben drohten, und auf einmal keimte der Schmerz, der ein wenig nachgelassen hatte, nachdem wir den düsteren Turm verlassen hatten, zu neuer Gewalt auf.
    »Du meinst, sie sind verantwortlich für Kopfschmerzen«, stellte ich leise fest.
    Zwei, drei Atemzüge ließ Ellen schweigend verstreichen, ehe sie sich wieder aufrichtete und die Augen öffnete, um zwar in meine Richtung, dennoch aber nicht mich anzublicken, sondern mit ernstem, abwesend wirkendem Blick durch mich hindurchzusehen und mit rauer Stimme zu antworten. »Ab einer bestimmten Größe mit Sicherheit«, sagte sie. Ich konnte die Trockenheit, die sich plötzlich in ihrem Hals ausgebreitet hatte, regelrecht hören.
    »Und ... wofür genau ist es verantwortlich, das Großhirn?«, hakte ich nach.
    »Das menschliche Gehirn gibt der Wissenschaft noch immer viele Rätsel auf«, antwortete die Ärztin ausweichend und wandte sich von mir ab, um ihren leeren Blick wieder auf die in Formalin eingelegten, einem Laien wie mir allesamt gleich erscheinenden Präparate zu richten.
    »Der Stirnlappen der Großhirnrinde steht aber in enger Beziehung zur Persönlichkeitsstruktur des Individuums.
    Ganz allgemein kann man behaupten, dass das Großhirn der Sitz von Bewusstsein, Intelligenz, Wille, Gedächtnis und Lernfähigkeit ist.« Sie hob in einer verzweifelt wirkenden Bewegung gleichzeitig die Schultern und schüttelte das, was man ihr von ihrem feuerroten Haar gelassen hatte. »Ein Tumor an dieser Stelle führt zur Zerstörung des angrenzenden Hirngewebes, weil der geschlossene Schädel nicht elastisch ist und keinen Platz zur Ausdehnung bietet. Und da im Gehirn selbst keine Schmerzrezeptoren vorhanden sind, merkt man zumeist erst sehr spät etwas von der Ausbreitung des Tumors. Zu spät«, fügte sie düster hinzu und tastete in einer hilflos scheinenden Geste nach ihrer Stirn.
    Ich hatte mich nicht geirrt. Sowohl Ellen als auch Judith – dem neuerlichen Schwinden der Farbe aus ihrem Gesicht nach zu schließen – hatten mit heftigen (vermeintlichen?) Migräneattacken zu kämpfen, wie ich bereits mehrfach vermutet hatte. Nur suchte der Schmerz die Frauen allem Anschein nach nicht ganz so heftig heim wie mich oder es war tatsächlich so, dass weibliche Wesen mit Schmerzen besser umzugehen und sie besser zu ertragen vermochten, weil sie darauf eingestellt waren, viel Schlimmeres zu erdulden, wenn sie irgendwann Kinder auf die Welt brachten. Vielleicht aber war ich tatsächlich ein besonderes Weichei, das von den Schmerzattacken buchstäblich umgehauen werden konnte, oder aber es hatte mich tatsächlich schlimmer erwischt als die anderen beiden.
    Es. Was war es denn? War das, was ich als sadistisch veranlagten, brutalen Alien in meinem Kopf zu bezeichnen pflegte und von dem ich in dieser Sekunde glaubte, dass es sich wieder heftig zu regen begann, vielleicht nach einem geeigneten Folterwerkzeug suchte, mit dem es mich noch nicht bis zur Bewusstlosigkeit gequält hatte, in Wirklichkeit nichts anderes als ein hässlicher Klumpen entarteten Gewebes, wie ich es an jedem Präparat hier spätestens dann entdecken konnte, wenn ich eine Weile danach gesucht hatte? Hatte Ellen etwa genau das sagen wollen und nur nicht so direkt und ernüchternd über die Lippen gebracht – dass wir alle möglicherweise unter wuchernden Geschwüren im Bereich des Stirnlappens litten, die das Gewebe unserer Hirne zerfraßen, unser Bewusstsein zunehmend irritierten oder es uns, mir deutlich häufiger als den beiden Frauen, sogar zu rauben vermochte, Gedächtnis, Lernfähigkeit und Intelligenz beeinträchtigte und ... uns den Willen raubte?
    Auch ich kämpfte nun um mein Gleichgewicht und stützte mich zitternd auf der feuerfesten Arbeitsplatte in der Mitte des Raumes ab – auf dem Tisch, auf dem vielleicht noch immer Leichen seziert und Hirne wie das meine aus den Schädeln gerissen wurden, die möglicherweise nicht einfach ein bisschen verrückt, da mit der Situation überfordert, sondern tatsächlich krank, vielleicht unheilbar und sterbenskrank waren.
    War ich das? Ich konnte, ich durfte es nicht sein, flehte ich stumm. Ich spürte, wie meine Augen zu brennen begannen und sich mit Tränen der Verzweiflung füllten. So oft schon hatte ich unter Schmerzen meinen Hausarzt aufgesucht, um mich von ihm mit ein paar nicht rezeptfreien Medikamenten gegen heftige Migräne ruhig stellen zu

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