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Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs

Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs

Titel: Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
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ich mich fragte, ob sie die Schädelplatten, gegen die sie gedrückt haben mussten, vielleicht sogar gesprengt hatten, sodass die Köpfe, in denen sie herangewachsen waren, in Milliarden kleiner Teilchen zersprungen waren, wie ich es bei dem Rechtsanwalt in Carls Kneipe scheinbar beobachtet hatte. Ich stellte mir vor, wie es wohl in meinem Kopf aussah, schalt mich aber in der nächsten Sekunde, dass es dort nicht anders aussehen konnte als im Schädel jedes anderen ganz gewöhnlichen Migräneopfers. Wir waren überfordert, und Carl war hörgeschädigt. So war es. So und nicht anders!
    »Wir könnten uns im Aktenlager umsehen«, schlug Ellen schulterzuckend vor. »Vielleicht gibt es dort noch weitere Unterlagen zu diesen Hirntumoren und dem verrückten Projekt, an dem hier geforscht wurde.«
    »Ellen, verdammt!«, fuhr ich die Ärztin zornig an. »Was soll das? Suchst du ein paar weitere Indizien, mit denen du deine bescheuerten Theorien untermauern kannst, wenn du uns nur einen weiteren Schwall Fachgelaber um die Ohren schlägst, gegen das wir nicht argumentieren können? Was hast du vor? Willst du uns in den Wahnsinn treiben oder bereitet es dir einfach ein diebisches Vergnügen, uns ein bisschen mit deinen kranken Thesen zu quälen? Ich will nichts mehr davon hören, okay!«
    »Weil du die Wahrheit so schlecht erträgst?«, gab Ellen kühl zurück, zog einen kleinen Notizblock und einen Bleistift aus einem offenen Fach unter der gekachelten Tischplatte hervor, das mir noch gar nicht aufgefallen war, und begann einige der Zahlenkolonnen von den Aufklebern auf den Zylindern in den Notizblock zu übertragen.
    Dann steuerte sie auf die schmale, rechts angrenzende Tür mit der Aufschrift Aktenlager zu und öffnete sie. Zwischen Tür und Rahmen blieb sie noch einmal stehen und blickte über die Schultern hinweg zu Judith und mir zurück. »Wenn ihr euch hier gerade so wohl fühlt, dann wartet hier auf mich«, sagte sie knapp. »Es könnte übrigens ein Weilchen dauern«, fügte sie mit einem bedeutungsvollen Blick in den Raum hinter der Tür hinzu. Dann verschwand sie darin, ohne eine Antwort abzuwarten.
    »Nicht die Wahrheit kann ich nicht ertragen, sondern dich, Ellen! Du kotzt mich an!«, schrie ich ihr zornig nach, wobei ich das Mikroskop mit einer aggressiven Geste von der Tischplatte fegte. Die elastische Halterung gab nach und ließ das Gerät mehrfach laut scheppernd gegen den Labortisch schlagen, ehe sie das Gerät wieder auf die Platte hinaufzog, wo es völlig verbogen und mit zersplitterter Linse zum Liegen kam.
    Judith trat auf mich zu, legte mir mit einer beschwichtigenden Bewegung eine Hand auf die Schulter und strich mir mit der anderen durch meine völlig verhunzte Frisur.
    »Reg dich nicht so auf«, flüsterte sie in beruhigendem Tonfall und küsste mir mit einem verkrampften Lächeln eine Träne von der Wange.
    Ich hatte nicht gemerkt, dass ich vor Zorn und Verzweiflung einen kurzen Moment geweint hatte, und schämte mich jetzt, da es mir auffiel. »Tut mir Leid«, flüsterte ich beherrscht und wandte verlegen den Blick ab, aber Judith griff nach meinem Kinn und zog es mit sanfter Gewalt wieder in ihre Richtung.
    »Du musst dich nicht schämen.« Sie schüttelte verständnisvoll den Kopf. »Wir sind alle völlig fertig mit den Nerven. Auch Ellen. Und außerdem«, fügte sie mit einem nun sehr aufrichtigen Lächeln in den Augen hinzu, während sie mir mit dem Handrücken die letzten Tränen von den Wangen wischte, »mag ich Männer, die auch mal weinen können. Wirklich«, bekräftigte sie ihre Worte, als ich zweifelnd eine Braue hob und die Stirn in Falten legte.
    Ich schlang meine Arme um ihre Schultern, drückte sie an meine Brust und hielt sie für die Dauer einiger, plötzlich viel ruhigerer Atemzüge einfach nur fest. Auf einmal war ich Ellen sogar ein bisschen dankbar für ihre fachmännischen Erläuterungen, auf die ich mich in diesen Sekunden berufen konnte, als ich spürte, wie ich erneut Lust bekam, Judith dem Schrecken unserer Umgebung und der Schwäche meiner Nerven zum Trotz gleich hier und jetzt einfach auszuziehen und in sie einzudringen, auf der harten, kalten Tischplatte mit ihr zu verschmelzen und alles um mich herum einfach auf sich beruhen zu lassen und für ein paar Minuten zu vergessen. Der Duft ihrer verschwitzten Haut und ihres weichen Haares ließ mich einen kleinen Moment lang Abstand nehmen von allem, was dieses grauenhafte Labyrinth barg, und von dem, was wir in den

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