Neobooks - Das Leben in meinem Sinn
effektiv von meinem realen Leben abzuschirmen? Mich nur nicht damit beschäftigen zu müssen, dass so gut wie alles, das mein Leben einmal lebenswert gemacht hatte, nicht mehr existierte. Nun, das würde der neuen Leichtigkeit dieses Gesprächs vermutlich schnell jede Basis rauben. Also zucke ich nur mit den Schultern und halte an meinem Schweigen fest.
Sarah schüttelt den Kopf. »Nein, wirklich. Verkauf dich nicht unter deinem Wert, Ben. Du bist sehr gut. Und es gibt absolut keinen Grund für dich, vor mir schüchtern zu sein.«
»Okay«, sage ich gedämpft.
»Versprochen?«
»Versprochen!«
»Also dann, schönen Abend noch, Ben Todd. Und eine gute Nacht«, sagt sie erneut, greift nach meiner Hand und drückt sie kurz, bevor sie sich abwendet und geht.
***
Auf meinen Pfiff hin schießt Jack unter einem der Lorbeersträucher, die im hinteren Teil des Gartens wachsen, hervor und prescht mit flatternden Ohren auf mich zu.
»Jack! Da bist du ja, Junge. Und, wie war dein Tag?« Ich beuge mich zu ihm herab und kraule ihn hinter den Schlappohren. Hechelnd, mit heraushängender Zunge, sieht es immer aus, als würde er lachen. Nach einer Weile taucht er unter meinem Arm hindurch und läuft in die Küche. Erwartungsvoll setzt er sich vor seinen Fressnapf und schaut zu mir auf. Ich nicke. »Recht hast du, jawohl!«
Im Kühlschrank steht noch eine angebrochene Dose Hundefutter, deren Inhalt ich in Jacks Napf fülle, während ich mit dem Ellbogen versuche, meinen ungeduldigen Hund vom sofortigen Sturm auf das Futter abzuhalten. »Lass das, so dauert es doch nur länger. So, es ist serviert. Guten Appetit.«
Eine Weile beobachte ich Jack beim Fressen, dann öffne ich den Kühlschrank ein weiteres Mal. Gähnende Leere starrt mir entgegen.
»Einkaufen, Ben, einkaufen«, ermahne ich mich. »Jeder andere schafft das doch auch.«
Wie automatisch greife ich nach meinem Telefon und wähle die Nummer meines Lieblings-Chinesen. Nachdem ich meine Bestellung aufgegeben habe, spüle ich Jacks Trinknapf aus und fülle frisches Wasser ein.
Mir bleiben fünfzehn Minuten, also streife ich mir schnell das T-Shirt ab und begebe mich ins Bad. Die Jeans fällt auf die Fliesen, Shorts und Socken landen in der Badewanne. Summend steige ich unter die Dusche und lasse meine Gedanken zurückschweifen, während das warme Wasser an mir herabläuft.
Ich habe in der vergangenen Nacht nicht gut geschlafen. Wieder und wieder war ich meine Texte durchgegangen und hatte mich dabei bestimmt hundertmal gefragt, ob ich sie auch noch wusste, wenn ich später neben Sarah Pace vor der Kamera stehen würde.
Rückblickend muss ich nun lächeln.
Wozu die Aufregung?
Ich stelle das Wasser ab und angele nach dem Handtuch, das ich wieder einmal außer Reichweite plaziert habe. Das Wasser perlt über meinen ausgestreckten Arm und tropft auf die Fliesen herab. Einen Moment lang blicke ich starr auf die sich bildende Pfütze, doch ehe sie sich vor meinem geistigen Auge rot färben kann, wende ich den Blick ab und atme tief durch.
Die Türschelle surrt. Lange und wohl nicht zum ersten Mal.
Mist, habe ich so lange geduscht?
In der Eile verheddere ich mich im Ärmel meines T-Shirts und rutsche um ein Haar auf dem nassen Fußboden aus. Mit triefenden Haaren laufe ich zur Tür, steige dabei irgendwie in meine Pyjamashorts und nehme von dem leicht entnervten Boten endlich mein Essen entgegen.
Wie üblich nehme ich neben Jack auf der Couch Platz und esse vor dem laufenden Fernseher. Mittlerweile kann ich sogar mit Stäbchen essen, der regelmäßigen Übung sei Dank.
Der leere Pappbehälter und die Bierdose landen anschließend im Mülleimer, dann widme ich mich dem Skript für den folgenden Tag. Spiele alle Szenen in Gedanken noch einige Male durch, bis mir mit einem Mal, unverhofft, bewusst wird, wie sehr ich mich auf die bevorstehenden Dreharbeiten freue.
Der Gedanke an meine berühmte Kollegin ängstigt mich nicht länger. Ich fasse den Entschluss, Sarah – wie versprochen – als das zu nehmen, was sie ist: meine Schauspielpartnerin.
Kein Grund, schüchtern zu sein
.
Damit fällt auch der letzte Rest Anspannung der vorangegangenen Tage und Wochen von mir; nun kann es losgehen.
Zufrieden nicke ich mir selbst zu, lege das Skript zur Seite und erhebe mich von der Couch. Jack weiß sofort, was vor sich geht; schon steht er schwanzwedelnd vor der Terrassentür, die ich nun öffne, um ihn noch einmal rauszulassen. Ich folge ihm in den Garten.
Die Nacht
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