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Neobooks - Das Leben in meinem Sinn

Neobooks - Das Leben in meinem Sinn

Titel: Neobooks - Das Leben in meinem Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Ernst
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ist klar und recht frisch. Die salzgetränkte Luft riecht nach den Rosen, die am Rande der Terrasse wuchern und gerade voll in Blüte stehen. Eine Mischung, die mich unwillkürlich an unsere lange zurückliegende Zeit in Italien erinnert. Wie von selbst schließen sich meine Lider; ich lege den Kopf in den Nacken und atme tief durch. Als ich die Augen wieder öffne und in den sternenübersäten Himmel hinaufblicke, fällt mir sofort der Mond auf, der breit und schief zwischen den unzähligen funkelnden Lichtpunkten hängt. Irgendwie sieht er blasser aus als sonst. Die Umrisse seiner Sichel sind unscharf, das Schwarz der Nacht verschwimmt zu einem nebligen Tintenblau, wo es mit dem silbrigen Schein in Berührung kommt.
    Vielleicht ist es der Mond selbst – seine Form und diese seltsam fahle Farbe –, vielleicht auch die Faszination, die das Sternenmeer, in dem er zu schwimmen scheint, in mir auslöst. Doch mit Sicherheit ist es die plötzlich auflodernde Erinnerung, die mich hier draußen verharren lässt, obwohl Jack schon längst aus seiner Pinkelecke zurückgekehrt und in der Wohnung verschwunden ist. Vermutlich liegt er bereits auf seiner Decke und schnarcht, während ich in aller Ruhe meinen Gedanken nachhänge … 
    »Silbermond!«, flüsterte sie.
    »Ja, das stimmt. Er ist wirklich silbern.« Ich lachte in ihr weiches Haar. Küsste ihren Hals und hielt sie eng umschlungen in meinen Armen.
    Wir saßen auf den Klippen unserer Bucht; diese Januarnacht war klar, windig und sehr kühl. Die Erinnerung ist alles andere als das.
    Wärme erfasst mein Herz. »Bist du glücklich?«, fragte ich leise.
    Sie nickte, aber das reichte mir nicht. »Sieh mich an, Shirley!«
    Sofort kam sie meiner Aufforderung nach und hielt meinem prüfenden Blick mühelos stand. Ihrer war offen und ehrlich, als sich ihre Hände um mein Gesicht schlossen und sie mich so behutsam küsste, dass ich unwillkürlich eine Gänsehaut bekam.
    »Absolut glücklich«, flüsterte sie.
    »Vermisst du denn nichts? Deine Familie, deine Freunde, dein … Zuhause?«, wollte ich vorsichtig wissen. Ich war mir nicht sicher, ob ich die Antwort wirklich hören wollte, doch seit Monaten – seitdem Shirley ihren Exfreund und mit ihm auch alles andere zurückgelassen hatte, was ihr einmal lieb gewesen war, um
mich
in L.A. zu suchen – brannte diese Frage in mir.
    Ich wollte sie ebenso glücklich wissen, wie ich es selbst war. Aber war das unter den gegebenen Umständen nicht völlig illusorisch?
    Sie kannte hier nach wie vor niemanden außer mir und meinen wenigen Freunden, lebte nun weit weg von ihren Eltern und Geschwistern und war im sechsten Monat schwanger von einem Mann, der es nicht einmal schaffte, seinen Kühlschrank verlässlich zu füllen. Und trotzdem – sie strahlte.
    »Natürlich vermisse ich meine Eltern, Ben. Ich vermisse auch meine Freunde, aber ich vermisse mein
Zuhause
nicht … Zuhause fühlt man doch hier.« Sie legte unsere verschränkten Hände über mein Herz und sah mich noch tiefer an als zuvor. Ihr Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt, das sanfte Braun ihrer Augen trotz des fahlen Mondscheins erkennbar. Ihr Atem traf mich so süß und warm, dass ich unweigerlich die Augen schloss.
    »Und hier, mit meinem Herzen,
bin
ich zu Hause«, fuhr sie fort. »Solange ich bei dir bin, Ben.«
    Dann legten sich ihre Lippen erneut auf meine.
    Ihre Worte hatten diese Nacht, die ohnehin schon wunderschön gewesen war, zu einer der perfektesten meines Lebens gemacht. Hätte ich damals nur gewusst, dass es unsere letzte sein sollte.
    »Bring mich nach Hause, Ben«, forderte sie flüsternd, als sie mir ihren Mund entzog.
    Zurück in unserer Wohnung verbrachten wir den Rest der Nacht damit, uns langsam und sehr bedächtig zu lieben. Bedeutungsvoll. Nicht zum ersten Mal spielte ich mit dem Gedanken, sie zu bitten, meine Frau zu werden. Wieder einmal ließ ich den Moment verstreichen. Nicht, weil ich mir nicht sicher war, sondern nur weil ich fürchtete, es könne willkürlich wirken. Einmal in meinem Leben sollte etwas geplant und einfach perfekt laufen. Hätte ich es doch getan.
    Gegen Morgen schliefen wir bei einem weiteren unserer unzähligen erfolglosen Versuche ein, mich die Bewegungen des Babys spüren zu lassen. Es rührte sich nicht, solange meine Hand auf Shirleys Bauch lag.
    Und dann, nach einer langen Nacht und viel zu wenig Schlaf, zerbröselte unser Glück in einem einzigen Streit …  
    Bilder, die mein Blut im Bruchteil

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