Neobooks - Das Leben in meinem Sinn
schön. Ich hole tief Luft, lege mein Besteck zur Seite und beschließe, mich auf die kleine Fragerunde einzulassen – solange Sarah nicht zu sehr in die Tiefe geht.
»Ich habe eine Schwester. Caro ist fünf Jahre älter als ich und hat zwei Kinder. Sie hat einen Kanadier geheiratet, den sie nur mit Mühe und Not auf amerikanischen Boden geschleift hat. Sie leben im nördlichsten Zipfel Idahos, direkt an der kanadischen Grenze … meine Eltern leben derzeit in Sydney.«
»Montana?«, fragt Sarah.
»Nein, Australien«, gebe ich grinsend zurück.
Sarahs Augen weiten sich.
»Mein Dad ist Diplomat, meine Mom Pianistin. Sydney bot sich an. Sie sind schon ungewöhnlich lange dort. Seit sieben Jahren, um genau zu sein.«
Erst als ich es Sarah erzähle, fällt mir auf, dass es stimmt. Meine Eltern haben vielleicht noch nie zuvor so lange an einem Ort gelebt.
»Sieben Jahre sind lang?«, fragt Sarah mit geneigtem Kopf.
Ich nicke. »Für meine Eltern auf jeden Fall. Ich hätte auch in einen Wanderzirkus geboren werden können, das hätte vermutlich keinen großen Unterschied gemacht. Wir haben nie länger als vier Jahre irgendwo gelebt. Was die Beantwortung deiner letzten Frage übrigens nicht gerade leicht macht.«
»Wo du aufgewachsen bist?«, hakt sie nach. Ich nicke. »Fang doch einfach von vorne an«, schlägt sie vor.
»Okay!« Ich atme tief durch. »… Also, geboren bin ich in Südafrika, in Johannesburg. Als ich zwei Jahre alt war, sind wir nach Süditalien gezogen, an die amalfitanische Küste. Mein Vater hat damals in Neapel gearbeitet. An die Zeit kann ich mich sogar noch ein wenig erinnern. Als ich fünf Jahre alt war, zogen wir nach London.«
»London?«, wiederholt Sarah. Es ist ihre Heimatstadt, das weiß ich, doch so fröhlich sie mir bisher immer erschien, hätte ich nicht mit der Wehmut gerechnet, die sich nun schlagartig in ihren Augen widerspiegelt. Sie vermisst ihre Heimat, das ist mit nur einem Blick erkennbar.
»Ja, nach Barnes«, sage ich.
»Schöne Gegend.« Sarah nickt. »Mein Elternhaus liegt etwa eine Dreiviertelstunde südwestlich von London entfernt. Ausflüge in die Stadt waren für uns Kinder immer etwas Besonderes«, schwärmt sie. Ihr Blick driftet dabei ab und geht ins Leere, denn für die Bilder, die sie nun sieht, sind ihre Augen nicht gefragt. Nur wenige Sekunden, dann schüttelt sie kaum merklich den Kopf, verbannt Sehnsucht und Erinnerungen und beißt erneut in ihren Apfel. »Entschuldige. Wo waren wir? Ach ja … wie lange habt ihr in England gelebt?«
»Knapp drei Jahre«, erwidere ich. »Dann ging es weiter nach China, wo wir vier Jahre lang blieben. Von dort aus zogen wir weiter nach Indien und dann in die Vereinigten Staaten. Hier blieben wir, bis ich achtzehn war und den Platz an der Schauspielschule bekam. Im selben Jahr sah Randy mich in einem meiner ersten Theaterstücke, und wir wurden Freunde.«
»Wow!« Sarah seufzt. »Was für ein aufregendes Leben!«
Ich verkneife mir meinen Kommentar und senke den Kopf. Die Zweifel und Verlustängste, die ich aufgrund der ständigen Umzüge in meiner Kindheit entwickelt habe, lasse ich unerwähnt. Belassen wir es bei
›aufregend‹,
das klingt so schön positiv.
»Welche Schauspielschule hast du besucht?«, fragt Sarah.
»Lee Strasberg, hier in L.A.«
»Julia Roberts’ Schule«, gibt sie bewundernd zurück.
»Und Robert de Niros«, ergänze ich um meinen Lieblingsschauspieler.
Sarah nickt anerkennend, bevor sich ihre Stirn erneut in Falten legt. »Wie bist du überhaupt zum Schauspiel gekommen?«
»Ein Verkupplungsversuch meines Vaters«, erkläre ich verlegen.
Die Falten auf ihrer Stirn werden tiefer, der Blick skeptisch – als wisse sie nicht so recht, ob sie meine Antwort ernst nehmen soll oder nicht.
»Nein, wirklich!«, beteuere ich. »Als ich gerade fünfzehn war, besuchte mein Dad an einem Abend nach der Arbeit ein Café in Neu Delhi. Dort saßen ein paar Mädchen zusammen und amüsierten sich. Ich weiß nicht genau, aus welchem Grund mein Dad beschloss, sie anzusprechen. Aber er tat es. Sie erzählten ihm, dass sie gerade von den Proben des Jungen Theaters kamen. Mein Dad ließ nicht locker, bis ich dort ebenfalls vorsprach.«
Sarah sieht mich ungläubig, mit weit aufgerissenen Augen an. »Er wollte dich tatsächlich verkuppeln?«
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass das seine Absicht war, ja.«
»Und? Hast du ein Date gekriegt?«, fragt sie verschmitzt.
Ich schüttele den Kopf. »Absolut
nicht
.
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