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Neobooks - Das Leben in meinem Sinn

Neobooks - Das Leben in meinem Sinn

Titel: Neobooks - Das Leben in meinem Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Ernst
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ein riesiger Mann hinter Randy. Er ist dunkelhäutig und hat kein einziges Haar mehr auf dem Kopf. Seine Glatze glänzt wie ein geölter Baby-Popo, und als er grinst, sehe ich nur noch Zähne. Randy bemerkt meinen entgeisterten Gesichtsausdruck und dreht sich um. »Oh, hallo John!«
    Er streckt dem Riesen seine Hand entgegen, zieht ihn an sich heran und umarmt ihn, wobei sein Arm nicht einmal Johns Rücken erreicht.
    »Darf ich vorstellen, unser Chefengel
Clark
, alias John Mac Knight.«
    »Hi zusammen«, sagt John mit der tiefsten Stimme, die ich je gehört habe. »Schätze, wir haben ab jetzt öfter das Vergnügen.«
    Sarah kichert. »Wow, genauso hab ich mir
Clark
vorgestellt.«
    »Habt ihr gegessen?«, fragt Randy. Da ist er wieder, der Wandel seines Tons. Nickend schiebe ich mir den letzten Löffel Reis in den Mund. Randy gibt uns eine halbe Stunde. Auf sein Kommando hin preschen wir in alle Richtungen auseinander, wie eine Herde aufgeschreckter Gnus.
    »Also,
Lea
liegt nach dem Mordanschlag im Koma. Wir drehen die Sequenz, in der unser frischgebackener Schutzengel
Ron
sie als Schützling erwählt und damit vor dem sicheren Tod bewahrt«, erläutert Randy, als wir uns nachgeschminkt und umgezogen zum Dreh der Krankenhausszene eingefunden haben. Sarah sieht erschreckend blass aus; Maggie und Co. haben ganze Arbeit an ihr geleistet.
    Sarah legt sich in das Krankenhausbett und lässt sich geduldig in die Komapatientin verwandeln, die Randys Skript verlangt.
    Anfangs beobachte ich das Procedere neugierig, doch irgendwann – zu einem Zeitpunkt, den ich nicht definieren kann – wandelt sich meine Wahrnehmung. Plötzlich sehe ich nur noch eine Frau, die schrecklich blass, mit geschlossenen Augen und all diesen Schläuchen nur wenige Meter vor mir liegt und dem Tod bereits näher als dem Leben zu sein scheint …
    Erst als ich Randys Hand auf meinem Arm spüre, merke ich, wie schnell und flach mein Atem geht. »Scheiße!«, flüstert Randy und wendet sich dabei unauffällig mit mir ab. »Daran habe ich nicht gedacht. Diese Szene … Ben, bist du …«
    »Schon okay!«, falle ich ihm ins Wort, als mich die Realität wieder hat. »Gib mir nur eine Minute.«
    »Klar!«, sagt er und nutzt die Zeit, um John die letzten Anweisungen zu geben. Als ich meinen Puls unter Kontrolle gebracht habe, wende ich mich um und blicke vorsichtig zu Sarah hinüber. Sie sieht mich grinsend an. Gott sei Dank hat sie nichts bemerkt. »Wirke ich überzeugend?«, fragt sie und legt sich mit erstarrtem Gesichtsausdruck zurück.
    »Absolut!«, presse ich mühsam hervor. 
    Bis auf diesen schwierigen Einstieg verstreicht der Nachmittag erfreulich produktiv. Die komplette Crew arbeitet konzentriert, der Dreh verläuft nahezu reibungslos und entspannt. Sogar die zahlreichen Statisten sind bestens vorbereitet, kennen ihre Positionen, Einsätze und Bewegungsabläufe und
›funktionieren‹
einwandfrei.
    Für die Szenen, in denen sich die Schwestern und Ärzte durch meinen, beziehungsweise
Rons
Körper hindurchbewegen, müssen zeitaufwändige Doppelaufnahmen gedreht werden. Sarah liegt derweil reglos auf dem Krankenbett und übt sich in Geduld. Zwei Stunden lang. Dann fordert sie, sich bewegen zu dürfen. »… Sonst kann Ben mich gleich wirklich zu neuem Leben erwecken, Randy«, nörgelt sie und erntet damit allgemeines Gelächter. »Ehrlich, Leute, ich schlafe hier fast ein.«
    Ihr Blick ist so mitleiderregend, dass ich es nicht schaffe, mich zusammenzureißen, und laut lospruste. Bevor ihr Schlag auf meinen Oberarm treffen kann, reiche ich ihr die Hand und helfe ihr auf. Mit einem Satz hüpft Sarah von der Bettkante und fegt sich die langen Haare aus dem Gesicht. Dabei verheddert sie sich mit den Fingern ihrer linken Hand so stark in ihren Locken, dass sie Maggies Hilfe benötigt, um sich wieder zu befreien.
    »Vielleicht streifst du mal das Gold von deinem hübschen Fingerchen«, gibt John im nüchternen Ton zu bedenken und deutet mit der Nasenspitze auf ihre Hand. Sarahs Augen weiten sich im Schock. Sie hat vergessen, ihren Verlobungsring abzulegen. Allgemeine Erkenntnis erstickt die heitere Stimmung mit einem Schlag, plötzlich herrscht Totenstille.
    Randy fixiert Sarahs Hand mit regelrechter Panik im Blick. Das ist genau die Art von Regiefehler, die er nicht gebrauchen kann – die ledige
Lea
mit einem Verlobungsring zu verewigen.
    Ich gehe kopfschüttelnd auf ihn zu – die Hände beschwichtigend von mir gestreckt –, denn sein Schweigen kann

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