Neobooks - Das Leben in meinem Sinn
Maggie entgeht auch das nicht. Sie verdreht ihre Augen. »Gott, Ben! Reiß dich mal am Riemen, Mensch! Du sabberst ja schon.«
Meine Kinnlade klappt herab, doch bevor mir etwas Schlagfertiges einfallen will, legt mir Mag ihren Zeigfinger über den Mund. »Du weißt, dass es stimmt! Dein Glas ist jetzt voller als vorhin.«
Ich senke den Blick und grinse verlegen vor mich hin. Zu ertappt, um schlagfertig zu sein. Nicht, dass ich es sonst wäre …
»Kannst du mir sagen, wie das enden soll?«, brüllt Maggie über die Musik in mein Ohr.
Wie immer, mit einem gebrochenen Herzen!
Ich schüttele den Kopf. Mags Blick bekommt einen nachgiebigen Schimmer. »Ich gönne es dir so sehr, Ben. Es ist weiß Gott an der Zeit, dass du dich wieder verliebst. Aber … ausgerechnet Sarah …«
Ich nicke, denn schließlich kenne ich Maggies Bedenken. Es sind dieselben, die ich auch habe.
Randy kommt zu uns und deutet grinsend auf die Tanzfläche. »Oh Mann, die arme Sarah!«, ruft er.
Mein Kopf schießt hoch. Der talentfreie Latino steht nun hinter Sarah und lässt sein Becken direkt an ihrem Po kreisen. Sarahs Gesicht wirkt seltsam verzerrt. Als wisse sie nicht so recht, ob sie nun lachen oder besser schreien solle. Sie sieht mich an und ihr hilfesuchender Blick lässt mich nicht für eine Sekunde zögern. Ich drücke Randy mein Glas in die Hand und schreite mit festen Schritten auf die Tanzfläche. Sarah und ich verlieren unseren Blickkontakt dabei nicht für eine Sekunde.
Unter dem Bass der Musik höre ich Maggies vorwurfsvoll gezischtes »Natürlich hilfst du
ihr
« nur am Rande. Mit jedem meiner Schritte entspannen sich Sarahs Gesichtszüge ein wenig mehr. Als ich vor ihr stehe, lächeln wir beide. Nur der Latino schaut verdutzt.
Mein Timing ist gut. In dem Moment, als ich die Arme nach Sarah ausstrecke, um sie aus ihrer misslichen Lage zu befreien, waltet der DJ seines Amtes und leitet den schnellen Song ausgerechnet in »The closest thing to crazy« von Katie Melua über. Wir sprechen kein Wort – denn das ist bei diesem Lied, das von all dem erzählt, was gerade mit mir geschieht, weder möglich, noch nötig –, aber Sarah verschränkt ihre Hände ohne zu zögern hinter meinem Hals, und als ich ihre Taille umschlinge, kann ich mich des Gedankens nicht verwehren, wie unglaublich perfekt sie in meine Arme passt.
Der Latino zappelt noch eine Weile um uns herum, doch dann macht er Maggie an der Bar aus und bahnt sich seinen Weg zu ihr.
Sarah atmet auf. Sie lehnt den Kopf gegen meine Brust und lässt sich von mir führen. Nahezu ergeben geht sie mit meinen Bewegungen mit. Widerstandslos und geschmeidig. Erst als sich das Lied seinem Ende neigt, weicht sie ein wenig zurück und sieht zu mir auf. Trotz der mörderischen Absätze ihrer Stöckelschuhe ist sie deutlich kleiner als ich, und so beuge ich mich ein wenig zu ihr herab, als ich bemerke, dass sie etwas sagen will. »Das mit dem Diplomatensohn hast du doch erfunden. Deine Mutter ist Pianistin und dein Vater Tanzlehrer, oder?«, ruft sie in mein Ohr.
Ich erwidere nichts, lächele nur und zucke mit den Schultern.
Tanzen habe ich auf der Schauspielschule gelernt. Ein Pflichtfach, das ich wirklich verabscheute. Doch nun, mit Sarah in meinen Armen, danke ich Mme. Lacroix im Nachhinein noch für ihren Unterricht und für die erbarmungslose Strenge, die sie mir gegenüber dabei an den Tag legte.
Sarah spürt meine Verlegenheit. Sie legt ihre Hände an mein Gesicht und lenkt meinen Blick zurück in ihre Augen. »Du überrascht mich immer wieder. Langsam aber sicher glaube ich an die Wahrheit der Redewendung.« Ich warte vergeblich darauf, dass sie etwas Verständliches sagt.
»Welche Redewendung?«, hake ich nach, als sie es nicht tut.
Sie sieht mich lange an, viel tiefer als je zuvor, bis in dem hellen Grün ihrer Augen etwas aufschimmert. Etwas, dessen Andeutung ich schon einige Male gesehen habe. Etwas, von dem ich mir immer wieder eingeredet habe, ich würde es mir nur einbilden. Wunschdenken.
Doch jetzt ist es so klar erkennbar, dass ich es nicht mehr leugnen kann: Erkenntnis. Ja, Sarah spürt es. Sie spürt, was ich für sie empfinde … und sie ist nicht abgeneigt. Keineswegs abgeneigt.
Bleib stark, Ben!,
ermahne ich mich in Gedanken.
Sie ist verlobt und vermisst Daniel, das ist alles. Du bist eine Verlockung, mehr nicht. Eine Verlockung, der sie unter keinen Umständen nachgeben sollte.
»Welche Redewendung?«, frage ich noch einmal, meinen Überlegungen zum
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