Neobooks - Das Leben in meinem Sinn
gegenüber an den kleinen Tisch. Jack liegt bereits zu meinen Füßen und kaut genüsslich an einem großen Knochen. Mario wird nie verstehen, dass Jack diese Knochen nicht fressen sollte, aber momentan fehlt mir der Elan, zu protestieren. Randy kommt, wie so oft, ohne Umschweife zum Punkt: »So ein gottverdammtes Arschloch!«
»Wer?«, frage ich gereizt. Die Anspannung ist kaum noch auszuhalten.
»Daniel! Er hintergeht Sarah.«
Ich traue meinen Ohren nicht. Brauche Sekunden, um meine Sprache wiederzufinden. Und auch dann bringe ich nichts als Gestammel hervor: »Was? … Woher? … Wie?«
Randy bedeutet mir, zu warten. »Marc und ich kamen vorhin aus einem Club. Mein Handy klingelte, ich ging zu spät dran und sah, dass ich schon neunzehn Anrufe in Abwesenheit erhalten hatte. Alle von demselben Anrufer … Christopher Tale.« Randy sieht mich erwartungsvoll an.
»Dein Ex?«, frage ich verwirrt.
Marc nickt. »Jepp, genau der!«
Ich mag Christopher nicht besonders, aber das tut nichts zur Sache.
Was hat der Typ mit Sarah zu tun?
»Jedenfalls hat mich das gewundert«, fährt Randy fort. »Neunzehn Anrufe? Ich habe seit Jahren nichts mehr von ihm gehört. Also rief ich zurück.« Die Augen meines Freundes verengen, sich und seine Stimme wird leiser, als er sich über den Tisch zu mir herüberbeugt. »So, und jetzt pass gut auf. Chris ist doch Fotograf. Er war die letzten beiden Wochen in Europa, hat in Paris Urlaub gemacht. Dreimal darfst du raten, wen er da getroffen hat?«
Dieses Rätsel ist nicht sonderlich schwer zu lösen. »Daniel?«
»Genau!«, bestätigt Marc. Selbst er, der sonst die Ruhe in Person und somit Randys perfekter Gegenpol ist, wirkt aufgebracht. »Und zwar mit dieser englischen Schauspielerin. Madeleine Pearson, oder so ähnlich. In Europa ist die wohl ziemlich bekannt. Sie spielt die weibliche Hauptrolle in seinem neuen Streifen«, erklärt er, bevor Randy wieder das Wort ergreift.
Plötzlich verschwindet alles um mich herum. Der gemütliche Raum, Marios Gebrabbel, der Duft seiner göttlichen Pizza, der mir direkt in die Nase steigt, als er den riesigen Teller vor mir platziert, und sogar Jack, der auf meinen Füßen liegt und in seiner Gier den Knochen von Zeit zu Zeit mit meiner Schuhspitze verwechselt.
All das versinkt unter Randys Stimme und den Bildern, die sein Bericht in meinem Kopf entstehen lässt. Er schildert mir Folgendes: Christopher saß auf einer Mauer am Ufer der Seine. Obwohl es noch nicht allzu spät war, dämmerte es bereits. Weit vor ihm, direkt am Wasser, entdeckte er ein offensichtlich frisch verliebtes Paar und beobachtete die beiden eine Weile. Die Frau balancierte über die großen Steine, der Mann hielt ihre Hand dabei. Als sie das Gleichgewicht verlor, fing er sie auf und sah sie lange an. Dann schloss er sie fest in seine Arme und küsste sie. Christopher, ganz Fotograf, war fasziniert von dem wunderbaren Motiv. Er zog sich leise zurück, um weiterhin unbemerkt zu bleiben und die Romantik des Augenblicks nicht zu zerstören. Hinter einem Busch zückte er seine Kamera und fotografierte die Turteltäubchen vor dem rotglühenden Fluss. Die beiden bemerkten ihn nicht und fühlten sich in ihrer kleinen Ausbuchtung weiterhin so unbeobachtet, dass Christopher schließlich ziemlich heiße Szenen vor die Linse bekam. Wenig später, als die Lichtverhältnisse nachließen, packte er seine Kamera ein und setzte sich erneut auf die Mauer. Nun bemerkte ihn das Pärchen. Christopher beobachtete, wie sie sich sofort voneinander lösten und dann hektisch aufbrachen. Sie erklommen den steilen Pfad, der vom Flussufer aus zu der Straße hochführte, und kamen auf diesem Wege direkt an Christopher vorbei. Der traute seinen Augen kaum, als er Daniel Johnson erkannte. Mit einer Frau, die Christopher zwar nie zuvor gesehen hatte, die aber gewiss nicht Sarah Pace, Daniels Verlobte, war. Welch ein Skandal!
Durch blanken Zufall und in völliger Ahnungslosigkeit hatte der Fotograf die wohl wertvollsten Paparazzi-Bilder des Jahres geschossen.
Randy rupft ein Stück Brot in winzig kleine Stücke und schmeißt die einzelnen Bröckchen zurück in den Korb mit der rotkarierten Serviette, während er berichtet. »Ich weiß nicht, ob Chris schadenfroh war oder einfach nur entzückt über die Tatsache, dass er nun vermutlich ausgesorgt hat. Es schien aber so, als habe er Freude daran, mir das alles erzählen zu können.«
Marc schnaubt. »Na, Edelmut hat ihn sicher nicht zu seinem Anruf
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