Neobooks - Das Leben in meinem Sinn
gibt er mir seine Antwort. Zwar nicht die, um die ich gebeten hatte, dafür aber die auf meine eigentliche, bislang unausgesprochene Frage, um die ich schon seit seinem Erwachen herumtänzele: »Sarah, ich werde nicht versuchen, irgendetwas zu leugnen. Die Aufnahmen sind echt, wir haben uns geküsst.« Bevor ich etwas entgegnen kann, fährt er fort. Sein Tonfall hat sich komplett gewandelt, er scheint seine Schmerzen ausgeblendet zu haben und klingt jetzt viel weniger gebrechlich als noch vor einer Minute. »Ich möchte aber, dass du etwas weißt, Sarah. Die Sache mit Madelaine ist absolut frisch. Diese Bilder entstanden wirklich, so unfassbar das für dich klingen mag, bei unserem ersten Kuss.«
Ich höre seine Worte, als läge ich unter einer dicken Decke. Es ist das Rauschen meines eigenen Blutes, das den Klang dermaßen dämpft und einen Wandel meiner Atmung bewirkt. Mein Brustkorb hebt und senkt sich zu schnell, zu flach, und meine Lippen zucken immer wieder unkontrolliert. Nur Sekunden später, als ich Daniels mitleidigem Blick begegne, platzt es aus mir heraus. »Die
Sache mit Madelaine
?«, wiederhole ich leise. »Die
Sache,
Daniel
,
wirklich? Hab doch wenigstens die Größe, es zu benennen. Der richtige Ausdruck für diese
Sache mit Madelaine
ist –
Affäre.«
Er wendet seinen Blick ab und kratzt mit den Fingern seiner rechten Hand über den Gips an seiner linken.
Unbehagen.
»Und überhaupt, was soll die Behauptung, dass du mich noch nicht so lange betrügst, nun ändern, Dan? Denkst du wirklich, jetzt tut es weniger weh?«, hake ich nach und komme mir dabei so schäbig vor. Denn obwohl es stimmt – es tut furchtbar weh, es ihn aussprechen zu hören –, fühle ich mich, als hätte ich kein Recht dazu, so verletzt zu sein. Daniel gegenüber vielleicht schon, aber was ist mit Ben? Nach dieser vergangenen Nacht müsste ich versöhnt sein, oder nicht?
Dennoch rede ich weiter und mache dem Mann, der mein Leben so lange begleitet und mich immer wieder aufgefangen hat, weiterhin Vorhaltungen, ohne den Mumm aufzubringen, auch ehrlich zu ihm zu sein.
»Denkst du ernsthaft, das macht es weniger schlimm? …
Madelaine
, Daniel! Es ist
Madelaine
!«
Ich schaffe es nicht, ihn weiter anzusehen, und wende den Kopf ab. Ja, die Tatsache, dass er mich mit meiner Freundin betrogen hat, wiegt schwer. Und wieder werden mir meine falschen Motive für die erneut aufsteigenden Tränen bewusst.
Du bist eine Heuchlerin, Sarah! Es ist nichts weiter als verletzter Stolz.
Daniel streckt seine Hand nach meiner aus, doch ich ziehe meine Finger zurück, ehe er sie berühren kann. Mein Blick fällt dabei erneut auf seinen dicken Gipsverband und zieht die Schlaufe, die sich um mein Herz gelegt hat, weiter zu.
»Nein, ich denke nicht, dass es die Situation für dich leichter macht, Sarah«, erwidert Daniel zerknirscht. »Ich will nur, dass du weißt, dass mir diese dämlichen Artikel lediglich zuvorkamen. Ich habe noch am selben Abend, nach der Entstehung dieser Aufnahmen, mit Jacques gesprochen und das Flugticket für heute gebucht. Ich wollte dir alles erklären, glaub mir.«
»Was hättest du mir erzählt?«, presse ich irgendwann mühsam hervor und durchbreche damit eine neue minutenlange Stille.
Daniel blickt auf, sieht mir in die Augen und scheint zu bereuen, dass er nicht weiß, was ich hören will.
»Ich meine, hättest du mir erzählt, dass du eine Affäre mit
ihr
hast? Mit
Madelaine?
«, verdeutliche ich.
Er hält meinen Blick stand. Sein Kinn zuckt, und er presst die Zähne so fest aufeinander, dass die Kieferknochen einige Male kurz hervortreten, bevor er endlich ein Kopfschütteln zustande kriegt. Zweifellos ist er ehrlich, aber …
»Nein?«, entfährt es mir viel zu laut. »Warum nicht? Hätte dir tatsächlich der Mut dazu gefehlt, mir zu beichten, dass du mich mit meiner ehemals besten Freundin betrogen hast?«
Sein Kopfschütteln hört gar nicht mehr auf, aber ich denke nicht daran, ihn zu Wort kommen zu lassen. So niederträchtig und oberflächlich meine Beweggründe auch sein mögen, momentan ist es mir egal. Mittlerweile habe ich mich in Rage gebracht, und das tut unglaublich gut, denn es ist intuitiv und … ja, wirkt befreiend. »Hast du mit ihr geschlafen, Dan? … Hast du?« Neue Tränen fließen, und ich wische sie wütend weg.
»Du hättest es mir nicht einmal gesagt«, wispere ich schließlich. Das klingt beinahe schon verächtlich.
Daniel versucht erneut, sich aufzurichten, doch seine
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