Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
eigentlich schon tot. Du hast bisher eine Menge Glück gehabt, aber jetzt ist es aufgebraucht, und du wirst dafür büßen, dass du so lange zwischen mir und der Krone gestanden hast. Dafür bist du mir etwas schuldig, und du wirst deine Schuld in Blut bezahlen. Schon lange vor deinem Ende wirst du dir wünschen, tot zu sein, und mich anflehen, deinem Leiden ein Ende zu bereiten. Aber ich werde dich nicht erhören.«
Er griff einen Krug mit Gebrautem, prostete dem Bild zu und schwelgte so in seinen Zukunftsträumen, dass er ärgerlich aufsah, als die Tür aufging.
Hexenmeister Maluch kam hereingeschlurft.
Camora war froh, schon gegessen zu haben, denn der Anblick des Alten, dessen Haut über dem Totenschädel immer dünner zu werden schien, konnte einem schon auf den Magen schlagen. Die Lippen waren mittlerweile so schmal und blutleer, dass man sie nur erahnen konnte, und die braunen Zahnstümpfe dazwischen konnten bestimmt kein Fleisch mehr beißen. Am lebendigsten an dem Hexer wirkte dessen Stock.
Maluch hatte Blickrichtung und Lächeln des Fürsten gesehen, schlurfte in seinem überlangen Kittel durch den Raum und höhnte: »Du bist, wie mir scheint, mal wieder etwas voreilig mit deiner Siegesfeier! Ich habe Nachricht aus dem Norden. Unser kleiner Prinz, den es ja nach deinen Worten gar nicht mehr geben dürfte, ist ganz schön umtriebig. Unseren Spähern ist zu Ohren gekommen, dass auch Freund Ligurius – warum auch immer – seine Fühler nach dem Jungen ausgestreckt hat und nunmehr den Verlust seiner besten Truppe zu beklagen hat, und sieben unserer Jäger, begleitet von einundzwanzig Wölfen, sind seit Tagen überfällig. Erkläre mir das, Camora!«
Der überging geflissentlich die Anspielung des Hexenmeisters und zuckte die Achseln. »Eine Hundertschaft ist längst auf dem Weg. Kaum anzunehmen, dass er sie auch besiegt. Das dürfte selbst seine Möglichkeiten übersteigen.«
Maluch hatte den Schreibtisch erreicht, setzte sich aber wie üblich nicht.
Der Fürst überlegte unwillkürlich, ob er den Greis jemals hatte sitzen sehen, als dessen Stimme ihn zur Aufmerksamkeit ermahnte. »Könnte es sein, dass du nie dazulernst? Er ist seinerzeit – gerade einmal acht Jahre alt – auch deiner Armee entkommen, die da’Kandar überfallen hat. Da du mir ständig versichert hast, dass das unmöglich war, muss er wohl über außergewöhnliche Kräfte verfügen! Ich werde daher Juna nach Kairan schicken, aber ich will, dass eine Priesterin mit ihr geht. Ich will diese Hylia, die Ayala beim letzten Besuch begleitet hat.«
Camora hatte sich zunächst gegen die Vorwürfe verteidigen wollen, war aber bei den letzten Sätzen des Hexenmeisters davon abgekommen, denn diese Entwicklung verblüffte ihn doch. Wenn Maluch seine Ziehtochter schicken wollte, musste er dem Prinzen eine ganze Menge zutrauen. Juna war ein Geschöpf des Magiers. Als begabte Tochter einer Hexe geboren und von Kindesbeinen an gestärkt durch das Schwarze Wasser, verfügte sie nicht nur über gewaltige Zauberkünste, sondern war auch imstande, einen kräftigen Mann im Zweikampf zu besiegen. Maluch hatte sie ganz in seinem Sinne erzogen. Sie war kaltherzig, bösartig, heimtückisch und machtbesessen ... und seine zukünftige Gemahlin. Er sah den Alten an, der offensichtlich auf eine Antwort wartete, stellte stattdessen aber eine Gegenfrage: »Wie soll ich Ayala denn dazu bringen, uns eine Priesterin zu überlassen? Und was sollte die können, was Juna nicht kann?«
Der Hexenmeister schnaubte ungeduldig. »Biete ihr im Gegenzug den Weisen an. Sie ist doch geradezu besessen von dem Wunsch, den in ihre Hände zu bekommen, und für uns ist er nutzlos. Und zu deiner zweiten Frage: Diese Hylia kann die magischen Portalsteine der Nebelfrauen benutzen. Für eine Strecke, für die deine Truppe einen Mond benötigt, reicht ihr ein Wimpernschlag. Das schnelle Reisen ist ein unglaublicher Vorteil, schließlich wissen wir nicht, wann dieser Bengel genug vom Schnee hat. Kümmere dich also darum! So schnell wie möglich will ich Juna in Kairan haben.«
Der Schwarze Fürst nickte. »Ich werde Ayala eine Botschaft schicken. Aber hast du daran gedacht, dass sie den Prinzen niemals in die Finger bekommen darf. Sie verfügte dann über alle Siegelerben.«
Der Magier prustete, und Speicheltropfen regneten auf den glänzenden Schreibtisch und Camoras Hand. »Hast du Angst, sie könnte die Prophezeiung erfüllen? Daran ist ihr mit Sicherheit genauso wenig gelegen wie
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