Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis

Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis

Titel: Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Sons
Vom Netzwerk:
Zittern der Hände setzte sich im ganzen Körper fort.
    Caitlins Stimme drang an sein Ohr. »Schau, Rhonan, hab ich für dich gebastelt! Für jeden Wolf eine.« Er drehte sich um, und die Prinzessin hielt ihm eine Trockenfeige hin, in die drei Nüsse gebohrt waren.
    Sie lachte fröhlich. »Ich kann zwar nicht kochen, aber ich kann verzieren.«
    Er schüttelte lächelnd den Kopf und nahm die Feige an.
    Sie aßen reichlich Fleisch und Leckereien, und Gideon und Caitlin leerten den ganzen Beutel. Offensichtlich war der Wein stark gewesen, denn sie stimmten schließlich beide ein vergnügliches Lied an. Vergessen oder zumindest verdrängt schienen die Schrecken des Tages, und Rhonan sah erleichtert, dass seine Begleiter endlich wieder Farbe im Gesicht hatten. Caitlins Nase zumindest war so rot wie ihre Haare. Immer lustigere Lieder fielen ihnen ein, die sie lauthals vortrugen.
    »Rhonan, warum singst du nicht mit?«, fragte Caitlin irgendwann.
    »Ich kenne keine Lieder, aber singt bitte weiter, ich höre euch gern zu.«
    »Sag doch einfach, welche du kennst!«
    Er schüttelte nur stumm den Kopf, und sie sah ihn ungläubig an. »Das glaube ich nicht. Du kennst wirklich keine, nicht einmal Kinderlieder?«
    »Nein.« Er kam sich plötzlich merkwürdig ausgeschlossen vor und beschäftigte sich eifrig mit dem Feuer.
    »Macht nichts«, erklärte die Prinzessin großzügig. »Wir haben ja viel Zeit, dir welche beizubringen. Gideon, das Lied vom Fährmann, der nie dort landet, wo er hinwill, finde ich so lustig. Lass es uns singen! Das wird Rhonan auch gefallen.« Sie stieß den Prinzen an und erklärte ihm mit einem Zwinkern: »Der Fährmann trinkt nämlich auch viel zu viel.« Sie lachte glockenhell über seinen unglücklichen Gesichtsausdruck. »Komm! Du siehst immer noch ziemlich erschöpft aus. Wenn du keinen Wein trinken darfst, werde ich eben noch einmal nett zu dir sein.«
    Ohne jede Vorwarnung oder gar Rücksichtnahme riss sie ihn bei ihren Worten einfach um, verrenkte ihm fast den Hals, als sie seinen Kopf unsanft in ihren Schoß bettete, und stimmte auch schon die erste Strophe an:
    »Oh, wo bin ich? Ach, das kenn ich!
    Nein, das kenn ich eben nicht!
    Wo ist Ella? Wo bleibt Jolich?
    Göttin, sende mir ein Licht!
    War’s der ...«
    Gideon fiel mit einem belustigten Blick auf seinen überrumpelten Begleiter ein. Während er noch sang, schüttelte er den Kopf. Sie hatten einen fürchterlichen Tag voller Tod, Angst und Schrecken hinter sich, nicht weit entfernt von ihnen beschien der Mond ein grausiges Schlachtfeld, und sie saßen am Lagerfeuer, hatten sich zuvor an Überresten des Gemetzels gelabt, tranken den Wein ihrer zerrissenen Feinde und sangen fröhliche Lieder. Die zimperliche und wohlerzogene Caitlin ließ sanft, fast zärtlich ihre Finger über Rhonans Schläfen gleiten und fütterte den plötzlich verlegenen Kämpfer zwischendurch mit Nüssen, und er selbst fühlte eine wohlige Wärme in sich. Das knisternde Feuer, der Wein und die wachsende Zuneigung zu seinen jungen Begleitern waren wohl gleichermaßen dafür verantwortlich. Die Wirklichkeit erschien ihm mit einem Mal viel unwirklicher als jede Bauernmär.
    Irgendwann legten sie das letzte Holz ins Feuer, und kurze Zeit später schlüpften sie alle unter die Decken. Mit den Worten: »Die furchtbaren Wolfsjäger und alle bösen Wölfe sind tot, und ich habe einen Schwips«, kuschelte sich Caitlin eng an den Prinzen.

[home]
    15. Kapitel
    Am nächsten Morgen in Ten’Shur
     
    Die Sonne hielt sich hinter Wolken versteckt, die dunkelgrau und schwer baldigen Regen versprachen, und kräftiger Nordwind ließ die hölzernen, mit Eisenspitzen gespickten Barrikaden vor der Mauer klappern und rote Banner mit schwarzen Wolfsköpfen flattern. Zu Hunderten wehten sie in der trockenen Ebene um Ten’Shur.
    Hauptmann Derea, General Darkoba und Krakerhauptmann Falack von den Bogenschützen standen auf der Ostmauer der Stadt. Gut sichtbar, aber unerreichbar für Geschütze hatten die Horden ihr Hauptlager befestigt. Es war ein beeindruckender und zugleich beängstigender Anblick, denn die Ostsenke schien sich in ein schwarzes, wogendes Meer verwandelt zu haben. Sogar die Zelte der Krieger waren schwarz. Gebrüll, Geklapper, andauerndes Hämmern und Klopfen drangen zu ihnen herüber. Die Horden bauten ihren Beobachtungsturm und brachten Katapulte in Stellung. Insgesamt zwanzig Geschütze mit der Stadtmauer als Ziel. Auf halber Strecke zur Stadt wurde ein Zwischenlager

Weitere Kostenlose Bücher