Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
du dich vielleicht schneller.« Bei diesen Worten klopfte er ihr auf die Schulter und ging.
»Bleibt General, bitte!«, rief sie ihm mit drängender Stimme nach.
»Nur Raoul, Mädel! Den General gibt es längst nicht mehr!« Er verschwand nach draußen.
Marga starrte eine Weile vor sich hin, und Tränen verschleierten ihren Blick: Alles war verloren, weil sie versagt hatte. Warum hatte sie der General retten müssen? Nur, damit sie sich ihr Leben lang Gedanken darüber machen konnte, warum ausgerechnet sie versagt hatte?
Gideon war noch im Halbschlaf, als er wohltuende Wärme spürte und das Knistern eines Feuers hörte. Er rekelte sich zufrieden und schlief mit einem Lächeln wieder ein. Irgendwann erwachte er erneut – vom Duft nach Gebratenem. Voller Vorfreude öffnete er die Augen, wollte sich erheben und bemerkte, dass seine Hände auf dem Rücken zusammengebunden waren. Verschreckt huschte sein Blick umher. Sein Schrecken war nicht unbegründet. Vielleicht dreißig Horkas saßen in einer großen Berghöhle um ein Feuer herum und unterhielten sich. Es klang wie tiefes Grunzen oder Brummen. Dazu ruderten sie mit den Armen, denn die Sprache der Horkas setzte sich aus Lauten und Gesten zusammen.
Nicht viel größer als Rhonan, aber wesentlich breiter, völlig behaart und mit vier gewaltigen Fangzähnen ausgestattet, hätte Gideon sie eigentlich dem Tierreich zugeordnet. Ihre Gabe, zu sprechen, und ihre Gewohnheit, Kleidung aus Leder sowie Waffen zu tragen, sprachen allerdings dagegen. Alles, was er über die Horkas gelesen hatte, war furchterregend gewesen. Sie kannten keine Gnade und waren völlig gefühllos anderen Rassen gegenüber. Sie töteten, weil sie Hunger hatten oder weil es ihnen gerade Spaß machte.
Gideon spürte, wie sich seine Eingeweide zusammenzogen, und sein Blick glitt weiter durch die Höhle. In einer Ecke lagen Hunde mit langem, geschecktem Fell und dösten vor sich hin. Speere und Keulen lehnten an grobbehauenen Wänden, die mit schlichten Zeichnungen versehen waren. Sie sollten wohl Jagdszenen darstellen, und Gideon sträubten sich sämtliche Haare, als er in dem Wild, das erlegt und zerteilt wurde, neben Vierbeinern auch Zweibeiner erkannte.
Er hörte Gemurmel hinter sich und wälzte sich herum. Neben ihm lag Rhonan, ebenfalls gefesselt, und flüsterte gerade etwas in Caitlins Haare. Die junge Frau lag dicht bei ihm, und Gideon sah ihren Körper beben. Bevor er noch fragen konnte, wie sie hierhergekommen waren, kamen fünf Horkas auf sie zu. Unheilverkündend ragten sie mit gezückten Messern über ihnen auf.
»Wir sind nicht eure Feinde, wir reisen in friedlicher Absicht«, erklärte er sofort in ihrer Sprache. Soweit er es beurteilen konnte, zeigte sich Überraschung auf den Gesichtern der Fremden. Diese waren nicht mit grauem Fell bedeckt, sondern ließen an brüchiges Leder denken. Runde, rote Augen lagen unter knöchernen Wülsten und über einer flachen Nase. Beherrscht wurden die Gesichter von riesigen Mündern mit spitzen Zähnen. Auch die Hände, die Innenseiten der Unterarme und die Füße waren haarlos.
Ein Horka sagte etwas, und Gideon nickte trüb.
»Du sprichst ihre Sprache?«, kam es verblüfft von Rhonan.
»Sie haben nicht immer hier gelebt. Die Menschen haben sie vor langer Zeit aus den Nordländern vertrieben. Alle Sprachen, die wir lernen, geben wir von Generation zu Generation weiter. Der Häuptling wünscht uns zu sehen«, erwiderte der Verianer heiser, während ihre Fesseln unsanft durchtrennt und sie selbst auf die Füße gezerrt wurden.
Zusammen wurden sie durch einen Höhlengang getrieben, in dem nur Caitlin aufrecht gehen konnte. Die folgte Gideon nur zögerlich, da sie versuchte, möglichst dicht bei dem hinter ihr gehenden Prinzen zu bleiben. Da der nun seinerseits langsam gehen musste, bekam er immer wieder Fäuste der Horkas im Rücken zu spüren und hatte Mühe, nicht ins Stolpern zu kommen.
Inmitten der Horkas betraten sie eine weitere Höhle. Um ein Feuer herum standen Bänke, die mit Wolfsfellen bedeckt waren, und vier roh zusammengezimmerte Stühle mit hohen Lehnen, deren Sitzfläche deutlich höher war als die der Bänke. Fackeln steckten in Wandhalterungen, und die Wände waren rot bemalt. Anders als zuvor waren hier allerdings nur überlebensgroße Horkas dargestellt. Begnadete Künstler schien es in diesem Stamm nicht zu geben, aber die Abbildungen wiesen trotzdem unterschiedliche Merkmale wie zum Beispiel enorm breite Schultern,
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