Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
verfeinert. Tag um Tag hab ich gearbeitet, und jetzt stehe ich unmittelbar vor dem Durchbruch. Ich spüre, dass ich ganz nah dran bin.«
Sie sah ihre Mutter an, um ihr Gelegenheit zu geben, sich nunmehr doch für Sasha zu entscheiden, die schließlich mit nichts Wichtigem beschäftigt war, erntete Schweigen und fuhr in einer tieferen Stimmlage fort, die eines Orakels würdig gewesen wäre: »Ich bin auf dem Weg zu einer Künstlerin, die Werke für die Ewigkeit schaffen kann. Ich könnte ...«
Ayala unterbrach sie nüchtern: »Ich weiß um deine künstlerische Ader, wüsste aber gern, was ich dir vererbt habe. Wie steht es um deine magischen Fähigkeiten?«
Die Prinzessin wippte auf den Füßen.
»Puh! Diese Lilien stinken. Ich fall gleich um.«
»Caitlin!«
Die Nebelkönigin rammte ihre Zange in die Erde, ohne sie jedoch loszulassen.
Ihre Tochter hüstelte verlegen.
»Martha hält viel von meiner Begabung, nur ist meine Ausbildung nicht sehr fortgeschritten, weil sie mich langw ... Also, nein! Natürlich ist Magie schon sehr ... sehr ... Ich bin nur so beschäftigt, wie ich schon erwähnte. Aber ich nehme seit kurzem fast regelmäßig ... also, jedenfalls häufiger als früher am Unterricht teil und beherrsche schon einen kleinen, ... sehr kleinen Feuerzauber.«
Ayalas Mundwinkel zuckten, als hätte sie Mühe, ernst zu bleiben.
»Einen sehr kleinen Feuerzauber?! Beeindruckend! Beherrschst du noch nicht einmal Heilzauber, Tochter?«
Die verzog angewidert das Gesicht.
»Bäh! ... Die sind am grässlichsten. Ich bin empfindlich und spüre nicht gern Schmerzen, auch keine fremden. Und beim Anblick von Verletzungen muss ich mich übergeben. Die sind eklig!« Caitlin schüttelte sich heftig.
»Du scheinst ja bestens gerüstet für ein Abenteuer«, erklärte die Königin, und ein Geräusch, das wie ein Glucksen klang, entschlüpfte ihr.
Allein das Wort Abenteuer schmerzte in Caitlins Ohren. Wenn sie den Erzählungen der älteren Priesterinnen glauben durfte, war ihr Vater ein Maler gewesen, der die Königin hatte porträtieren sollen und sich dabei in die Schönheit der Nebelfrau verliebt hatte. Der junge Mann war nach Vollendung des Bildes von der Insel gejagt worden, aber Caitlin, die zwar das Aussehen von Ayala geerbt hatte, besaß augenscheinlich mehr Wesenszüge ihres Vaters, und sie war stolz darauf, ein Schöngeist zu sein. Sie liebte es, von schönen Dingen umgeben zu sein. Der Anblick der Wasserfälle erfüllte sie mit Freude und Ehrfurcht, und jeden Tag ging sie hin, berauschte sich am Farbenspiel der Regenbogen und ließ sich vom Sprühregen erfrischen, aber nie wäre sie, wie ihre Schwestern, auf den Gedanken gekommen, sich einmal unter die Fluten zu stellen, um auch die Gewalt des Wassers zu erleben. Und ausgerechnet sie sollte jetzt ein Abenteuer bestreiten an der Seite wildfremder Menschen. Sie schaute auf ihre Mutter, die wieder einen Trieb entfernte, der ihren Wünschen zuwider an unpassender Stelle entsprossen war, und wisperte: »Natürlich bin ich nicht gerüstet für ein Abenteuer. Ich wollte schließlich nie eines erleben und bin auch nicht davon ausgegangen, unsere Insel einmal verlassen zu müssen. Wer sind denn diese anderen Erben überhaupt?«
Die Königin besah sich ihr Werk noch einmal von allen Seiten, nickte zufrieden, legte die Zange endgültig aus der Hand und schenkte ihrer Tochter Aufmerksamkeit und ein Lächeln.
»Ein Gelehrter, auch der Weise der Berge genannt und Nachfahre der großen Dala, verkörpert das Wissen, und ein Nachfahre der Alten Könige, also ein da’Kandar-Prinz, wäre der Erbe der Kraft. Wie du hoffentlich weißt, hat der allseits geschätzte Großkönig Camora seine Stellung nur, weil er vor fünfzehn Jahren die da’Kandar-Familie ermorden ließ und sich selbst zum neuen Herrscher ausrief. Das war der Grund, warum ich gezögert habe, Fürst Darius’ Bitte zu entsprechen und dich zu ihm zu senden. Ohne den Siegelerben der Kraft kann die Prophezeiung nun einmal nicht erfüllt werden. Doch unser guter Darius ist der Meinung, dass immer noch Hoffnung bestünde und eine Vorbereitung der beiden anderen Siegelerben von Vorteil wäre.«
Sie blinzelte ihre Tochter an und konnte diesmal ein Auflachen nicht zurückhalten, bevor sie hervorbrachte: »Damit zumindest könnte er recht haben.«
Caitlin war in keiner Weise beleidigt, erheitert allerdings genauso wenig, schöpfte stattdessen aber wieder etwas Hoffnung.
»Wenn du selbst doch auch meinst, ich wäre
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