Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
Zutritt verwehrt bleibt. Wurden zunächst Schätze in der Höhle vermutet, darf man nun davon ausgehen, dass etwas Magisches in ihr verschlossen wurde. Denn vor einigen Jahren wurden die Siegel der Höhle brüchig. Schwarzes Wasser sickert nun daraus hervor. Um die Siegel zu erneuern, bedarf es dreier auserwählter Menschen. Nur der Erbe des Wissens kann die uralten Bannzeichen entziffern und die Formeln erneut sprechen, nur der Erbe der Macht kann die Siegel wieder magisch verschmelzen, und der Erbe der Kraft muss zuvor mit dem Schwert der Alten Könige die Steinwächter bezwingen. Wir haben vor einigen Tagen ein Ersuchen des Fürsten Darius erhalten, der die Siegelerben – wie diese drei nun genannt werden – zu sich ruft. Meister Fergus, Darius’ Seher, ist sich sicher, dass eine Nachfahrin unserer heiligen Myria die Siegelerbin der Macht sein muss.«
Sie blickte erneut hoch, konnte gerade noch sehen, wie ihre Tochter ein Gähnen unterdrückte, und fuhr mit einem Lächeln, das weniger nach Freundlichkeit als vielmehr nach Gehässigkeit aussah, fort: »Wir haben uns natürlich auch mit der Prophezeiung beschäftigt und sind zu dem Schluss gekommen, dass der Seher sie richtig gedeutet hat. Nur unsere Ahnfrau kann einst die Siegel verschmolzen haben, und an ihren Nachkommen ist es jetzt, diese Ruhmestat zu wiederholen und die Quelle wieder zum Versiegen zu bringen. Wir sind bereit, Fürst Darius’ Bitte zu entsprechen. Für mich wäre eine längere Reise nicht mehr zu bewältigen, und da du die älteste meiner Töchter bist, gebührt diese hohe Ehre dir.«
Caitlin hatte zwar halbwegs zugehört, trotzdem kaum etwas verstanden, runzelte die Stirn und fragte verständnislos: »Ich soll losziehen, um eine Quelle zu verschließen? Warum das? Wasser stört doch nicht, selbst wenn es dreckig ist.«
Die Königin schüttelte ungeduldig den Kopf.
»Das Wasser ist nicht dreckig, sondern schwarz und besitzt magische Kräfte. Camora versorgt damit seine Männer, die dadurch an Stärke und Ausdauer gewinnen. Sein Hexenmeister lässt die Quelle daher gut bewachen. Es liegt auf der Hand, dass die Freien Reiche sie aus denselben Gründen gern unter ihrer Herrschaft, zumindest aber verschlossen wüssten. Wie ich bereits erklärte, kann genau dies nach der Prophezeiung nur den Siegelerben gelingen. Meine Tochter, sei stolz, denn du bist dazu auserkoren, das Gleichgewicht der Kräfte wiederherzustellen!«
Sie schwieg, um die Worte wirken zu lassen, und musste sich ein Schmunzeln verkneifen, als ihre Tochter die Augen aufriss und den Mund öffnete, ohne einen Ton herauszubringen. Entsetzen, Fassungslosigkeit und Unglauben spiegelten sich in ihrer Miene. Nur das Zwitschern einer Blaumeise durchbrach die Stille.
»Ich?«, würgte Caitlin schließlich heraus. Dann lächelte sie plötzlich, als sie die funkelnden Augen und die hochgezogenen Mundwinkel ihrer Mutter bemerkte. Tief atmete sie durch. »Also, jetzt hast du mir wirklich einen Schrecken eingejagt. Dabei hast du längst vor, Sasha zu schicken. Stimmt’s? Die wird sich freuen. Hat die letzte Nacht im Stall verbracht, um einer fohlenden Stute beizustehen, und wird begeistert die Gelegenheit ergreifen, irgendetwas wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Ihre Hilfsbereitschaft kennt keine Grenzen. Ich werde mich auch nicht übergangen fühlen, denn mir ist gar nicht danach, jemandem zu helfen, den ich nicht einmal kenne, und ich bin auch beschäftigt. Ich habe gerade einen Durchbruch beim Mischen von Farben erzielt. Mein Gelb ...«
Ihre Mutter, die keinerlei Anzeichen von Überraschung oder gar Ärger zeigte, gebot ihr mit einer Handbewegung Einhalt.
»Ich will nicht verhehlen, dass auch ich zunächst an Sasha dachte. Wir, die Hohepriesterinnen und ich, haben lange darüber beratschlagt und dann beschlossen, dass bei einer Prophezeiung, die durchaus göttlichen Ursprungs sein könnte, alle Formen gewahrt werden müssen. Selbstverständlich wäre ich gegangen, wenn ich mich dazu gesundheitlich imstande gesehen hätte.«
Sie ignorierte das sichtbare Erstaunen ihrer Tochter und fuhr fort: »Dem ist aber nicht so, selbst wenn dir das vielleicht entgangen ist, da ich nicht dazu neige, über Gebrechen des Alters zu klagen. Du bist durch das Recht der ersten Geburt meine Vertreterin. Selbst, wenn Sasha auf Knien darum bäte, sie zu schicken, dürfte ich ihr nicht nachgeben.«
Caitlin hörte auf, eine Lavendelrispe zu zerbröseln. In ihr überschlugen sich die Gedanken: Ihrer Mutter
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