Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
schließlich über Jahrzehnte das Treiben der Tempelherren geduldet hatte, sondern, dass er lediglich daran interessiert war, das Geheimnis um den Reichtum der Tempelwächter zu ergründen, hielt sich hartnäckig. Es wurde allerdings nur hinter vorgehaltener Hand weitergegeben, denn der Priesterrat forderte nicht nur die strikte Befolgung seiner Lehren, er arbeitete zu deren Überprüfung und Durchsetzung mit Spionen, Schlägern und Meuchelmördern zusammen. Die Angst, selbst auf dem Scheiterhaufen zu landen, war daher umgegangen.
Ziemlich schnell hatte dieses Gerücht den Schwarzen Fürsten erreicht, der bis dahin wenig Interesse am Norden bekundet hatte. Die Freien Reiche fanden hier keine Unterstützung, und als Herr über da’Kandar verfügte er selbst über unermesslichen Reichtum. Es war wohl die Angst gewesen, dass hier ein mächtiger Gegner heranwachsen könnte, die ihn hatte einschreiten lassen. Er war mit einer Truppe nach Kairan gezogen und hatte den Städterat einberufen, der aus angesehenen Bürgern bestand.
Kaum hatte Camora das letzte Wort gesprochen, da war ihm auch schon das Stadtrecht übertragen worden. Seine erste Tat danach war gewesen, den Priesterrat aufzulösen und die Inquisition zu verbieten. Die wenigen Tempelherren, die noch nicht verbrannt worden waren, waren nach Amansdier verfrachtet worden. Eine Hinrichtung wäre mit seinem Verbot der Inquisition nicht mehr vereinbar gewesen, gegen eine Freilassung hatte gesprochen, dass die Tempelherren nicht bereit gewesen waren, dem Schwarzen Fürsten Gehorsam zu schwören. Der hatte nicht einmal einen Statthalter eingesetzt und die Stadt wieder sich selbst überlassen. Ohne die Tempelwächter war aus einer Zuflucht ein Ort der Gier geworden, an dem nur die Stärksten oder Gewissenlosesten gut leben konnten. Von denen sollte es in Kairan nunmehr reichlich geben.
Traurig schüttelte Gideon den Kopf, lehnte sich gegen einen Baum und schlief ein.
Er erwachte von einem spitzen Schrei.
»Bei Haidar! Wo bin ich? Ich bin entführt worden! Hauptmann Cornelius, wo seid Ihr? Ruth?! Was ist nur geschehen? Hauptmann Corneeeeelius, Hauptmann Corneeeeelius!«
Der Verianer sprang auf die Füße und hatte Mühe, seine Gedanken zu ordnen und sich in der Wirklichkeit zurechtzufinden. Er hatte von Marga geträumt, von ihrem krausen rotblonden Haar und ihren Sommersprossen und sah jetzt flammendes Rot vor sich, und schrilles Geschrei schmerzte in seinen Ohren. »Ruhig, Prinzessin! Ich werde Euch alles erklären. Hört bitte mit dem Geschrei auf! Ihr seid nicht in Gefahr!«
»Ach, nein?« Caitlin starrte ihn mit gehetztem Gesichtsausdruck an. Ihre blauen Augen traten fast aus den Höhlen. »Wo bin ich denn? Gehört Ihr zu diesen schrecklichen Männern? Wo sind meine Begleiter? Wer seid Ihr?«
Er räusperte sich, und letzte Bilder der besonnenen Hauptmännin entschwebten. »Ihr seid vor den Toren Kairans. Ich gehöre nicht zu irgendwelchen schrecklichen Männern, wo Eure Begleiter sind, weiß ich nicht, und ich bin Gideon Montastyre, ein Verianer und Gelehrter. Ich soll vorerst Euch und dem Prinzen zur Seite stehen.«
Sie hatte ihm offensichtlich nur mit halbem Ohr oder gar nicht zugehört, warf die Decke beiseite und sprang auf. »Oh nein!« Wild schüttelte sie ihre Kleider, fuhr sich über Gesicht und Arme, hüpfte herum und kreischte immer wieder: »Oh nein, oh nein!«
»Hört bitte auf!«, bat Gideon verblüfft. »Was tut Ihr denn da?«
Immer noch zappelte sie und schüttelte dabei ihre Haarpracht. »Ich habe im Freien geschlafen. Das ist so eklig! Überall sind Blätter und Käfer und Dreck und Würmer! Ich bin befallen davon! Es juckt und kribbelt überall! Ruuuuuth?!«
»Hört bitte endlich auf, so zu schreien! Ihr hetzt uns noch die Stadtwachen auf den Hals. Hier ist es viel zu kalt, hier gibt es keine Käfer oder Würmer, und in einem Nadelwald können keine Blätter fallen.« Gideon trat mit einer beschwichtigenden Geste auf sie zu, aber sie hielt abwehrend ihre Hände vor sich und ging so weit zurück, bis sie an eine Tanne stieß.
»Wagt es nicht, mich anzurühren! Ihr habt mich entführt! Ich werde Euch vierteilen lassen! Ich will jetzt meine Ruth! Ich will zu Hauptmann Cornelius. Ich benötige ein Bad und neue Kleider. Kommt noch einen Schritt näher, und ich schreie, so laut ich kann!«
Er blieb umgehend stehen. »Das tut Ihr doch schon die ganze Zeit. Oder wollt Ihr ernsthaft behaupten, Ihr könntet noch lauter schreien? Ich will Euch
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