Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
gefährlich sein würde, sonst wäre ich gar nicht erst aufgebrochen. Ich bin keine jammernde Hexe, aber ich lasse mich auf keinen Fall von diesem ... diesem ...«
»Ungehobelten Krüppel«, half Rhonan ohne sichtbare Regung aus.
Caitlin warf ihm einen giftigen Blick zu. »Ja, genau! Ich lass mich nicht von ihm zum Gipfel schleppen. Ich friere schnell, ich mag keine langen Ritte oder Spaziergänge, und ich möchte niemanden in Versuchung führen, mich zu verspeisen. Ich glaube an Prophezeiungen und selbstverständlich auch an unsere Götter, aber ich kenne auch meine Grenzen. Ich gehe daher von einem Irrtum aus, soweit diese Angelegenheit mich betrifft.« Sie lächelte Gideon seelenvoll an. »Es tut mir leid. Ich erkenne Eure Mühe an, aber sie war vergebens.«
»Gut gesprochen!«, lobte der Prinz, der ihr zum ersten Mal aus vollem Herzen zustimmte.
Gideon jedoch sprang auf und stieß dabei das Bratgestell fast um. Der Kessel schwankte so stark, dass Rhonan zugriff, und sich prompt die Finger verbrannte. Ärgerlich lutschte er an ihnen herum.
All das bekam der Verianer gar nicht mit. Er fuhr sich mit den Händen durchs Haar, starrte an die Höhlendecke, als erwarte er ein göttliches Zeichen, erhielt es offensichtlich nicht und wollte schließlich mit bebender Stimme wissen: »Was glaubt ihr eigentlich, was ich bin? Euer Fußabtreter? Glaubt ihr, mir hat jemand gesagt, was mich erwartet? Dass ich eine Prinzessin mit Kleidersorgen und einen Prinzen, der dem Branntwein verfallen ist, zu einer Aufgabe überreden soll, der sie in keiner Hinsicht gewachsen sind. Ich bin Gelehrter. Ich lese und lerne, ich kämpfe üblicherweise nicht gegen Spione oder Wölfe oder suche nach Pfeilspitzen in fremden Körpern. Aber habe ich mich auch nur einmal beklagt bis jetzt? Ich bin, genau wie ihr, nicht für unsere Lage verantwortlich, aber ich habe mein Schicksal angenommen, und ich habe keine Lust, mir weiter euer kindisches Gejammer anzuhören. Geht ruhig in eurem Selbstmitleid auf! Mir reicht’s! Ich benötige frische Luft.« Er stapfte hinaus, ohne sich noch einmal umzusehen.
Caitlin rollte sich wieder auf ihren Fellen zusammen und schniefte.
Rhonan ahnte, dass der Gelehrte nicht so schnell klein beigeben würde, und verspürte nicht den Wunsch, das Gespräch in Anwesenheit der Nebelhexe weiterführen zu müssen. Er langte zum Branntweinbeutel, der lockend vor ihm lag, griff jedoch nicht zu. Seine Zunge fuhr über die trockenen Lippen, eine innere Stimme empfahl ihm dringend, er solle sich stärken und so seine gewohnte Ruhe finden, aber etwas Unbestimmbares – Bösartiges, Gemeines oder ein Rest von Stolz – hielt ihn davon ab, die Finger zu krümmen. Er schluckte, sprang auf die Füße, ignorierte den aufflammenden Schmerz im Bein und hinkte, so schnell es ging, nach draußen.
Der Verianer hatte sich nicht weit aus der Mine hinausgetraut. Der Schnee auf der Lichtung reichte bis zum Knie, und es war bitterkalt. Die Äste der nahen Tannen bogen sich unter ihrer Schneelast, und der rosafarbene Himmel mit aufgeplusterten, grauen Wolken sah nach noch mehr Schnee aus.
Rhonan wartete auf eine Reaktion Gideons, räusperte sich schließlich vernehmlich, doch der drehte sich nicht einmal um.
»Dir ist es ernst mit diesem ganzen Zeug, nicht wahr?«, eröffnete der Prinz das Gespräch.
Gideon schwieg.
Rhonan rechnete schon nicht mehr mit einer Antwort und suchte nach passenderen Worten, als sein Begleiter sich endlich umdrehte, ihn ansah und antwortete: »Der Fortbestand der mittlerweile überschaubaren freien Welt, wie wir sie kennen oder zumindest gern kennen würden, liegt in deinen Händen. Wenn ich das ändern könnte, würde ich es umgehend tun. Ich würde nämlich Hände bevorzugen, die nicht zittern.«
Er stieß ein freudloses Lachen aus, als Rhonan prompt die Arme verschränkte. »Du musst sie nicht verstecken. Sie zittern schon den ganzen Morgen, wie sie bei dir wohl jeden Morgen zittern, und sie werden ohne beruhigenden Branntwein vermutlich noch lange zittern, aber das wäre nicht so wichtig. Derartige Beeinträchtigungen könnten geheilt werden, wenn Heilung angestrebt würde. Und das genau ist der Punkt, der mir Kummer bereitet. Du hast bewusst Schmerzen auf dich genommen, um den Pfeilsplitter im Bein loszuwerden, aber von der Trunksucht willst du gar nicht loskommen. Du willst keine Verantwortung übernehmen und steckst deinen Kopf in den Branntweinbeutel, um nicht sehen zu müssen, was um dich herum
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