Neobooks - Die Zitadelle der Träume
Züchtung begegnet. Das heißt, diese Truppe ist bereits einsatzfähig. Das ist übel.«
»Die sind mehr als übel«, erwiderte Derea und wurde schlagartig ernst. »Denen ist kaum beizukommen. Ohne Kahandar hätten wir nicht überlebt. Das sind keine Menschen, das sind … das sind kraftstrotzende, kampfstarke und schmerzunempfindliche Ungeheuer.«
Auf Gesichtern, die eben noch von Heiterkeit gezeichnet gewesen waren, zeigte sich nunmehr Besorgnis.
Raoul wandte sich an Juna. »Wie groß ist die Armee?«
Die griff sich einen Apfel und polierte ihn in ihrem Rock, während sie nebenher antwortete: »Um die zehntausend Mann. Genau weiß ich es nicht, aber das war zumindest Maluchs Ziel. Es hat etwas gedauert, das nötige Menschenmaterial zu beschaffen, aber mein Ziehvater ist nicht für halbe Sachen. Wenige Schattenkrieger in Camoras Heer hätten durch Überzahl besiegt werden können. Jetzt bilden sie ihr eigenes Heer, das Eure armseligen Truppen auf einen Schlag vernichten wird. Nach dieser Schlacht werden Maluch und Camora Herrscher der Reiche sein. Ihr tätet besser daran, Euer Vorgehen daran auszurichten.«
»Das sagst du doch nur, damit wir dich gehen lassen«, fauchte Marga.
Ihr war anzusehen, dass sie selbst an ihren Worten zweifelte, und Juna zog lediglich die Brauen hoch und aß ihren Apfel mit Genuss. Die knackigen Bissgeräusche waren längere Zeit die einzigen Laute, die zu hören waren.
»Zehntausend?«, würgte Gideon irgendwann mühsam hervor. »Das also ist mit den Jungen des Ostvolkes geschehen. Maluch hat ganze Landstriche entvölkert, um aus Kindern Bestien zu machen. Welch grausamer Frevel!«
Während der Gelehrte und die Frauen noch mit dem furchtbaren Schicksal der Kinder beschäftigt waren, plagten die Kämpfer ganz andere Sorgen.
Derea fuhr sich mit der Hand über den Mund und schüttelte immer wieder den Kopf. »Zehntausend? Die hält nichts und niemand auf.«
»Und wenn dieses Heer jetzt einsatzfähig ist, wird Camora zum endgültigen Schlag gegen die Freien Reiche ausholen«, fügte Rhonan nachdenklich an. »Worauf sollte er jetzt noch warten?«
Der General nickte zustimmend. »Nach den Berichten, die ich erhalten habe, lag Mar’Elch in Trümmern und hätte einen weiteren Angriff nicht überstanden. Statt jedoch erneut anzugreifen, hat der Schwarze Fürst seine Truppen abgezogen. Auch an den Grenzen gibt es keine Scharmützel mehr. Jetzt weiß ich, warum. Mit dem Schattenheer kann es für ihn nur noch ein Ziel geben: die Zitadelle der Träume! Camora wird so schnell wie möglich alle Truppen zum größten Heiligtum der Reiche marschieren lassen.«
»Warum?«, fragte Caitlin verständnislos.
Anstelle des Generals antwortete Gideon, der die Unkenntnis seiner Begleiterin besser kannte: »Der erste Großkönig von da’Kandar hat diese Zitadelle errichten lassen, als seine Frau, Palema, … eh … starb. Dort verbrachte er in völliger Einsamkeit seine letzten Lebensjahre. Da’Kandar und die Zitadelle gehören seit dieser Zeit untrennbar zusammen. Camora hat bereits das Zepter der Festung. Wenn er erst einmal den Schlüssel zur Zitadelle in den Händen hält, kann ihm kein Fürst mehr die Gefolgschaft verweigern. Immer wieder hat er versucht, sie zu erobern, aber bislang konnten Königin Morwena und Fürst Darius ihn regelmäßig davon abhalten, in das Reich der Mitte vorzudringen. Doch das Schattenheer …«
Der General fuhr fort, als dem Gelehrten die Stimme versagte. »… werden sie nicht aufhalten können. Der Schwarze Fürst wird unverzüglich angreifen. Nun muss er schließlich nicht mehr fürchten, dass El’Maran und Latohor ihre Heere verbinden und sich ihm in den Weg stellen, nun wird er es sogar hoffen, damit er sie in nur einer einzigen Schlacht gemeinsam vernichten kann. Das Ende des Krieges steht kurz bevor.«
»Und das Ende der Freien Reiche«, fügte Marga mit belegter Stimme hinzu. »Alles, wofür wir ein Leben lang gekämpft haben, wird verloren sein.«
In düsteren Gedanken gefangen, schwiegen alle. Das knisternde Feuer warf nach wie vor Schattenbilder an die Wände, aber es wärmte plötzlich nicht mehr. Schniefend kuschelte sich Caitlin an ihren Mann, der ihr sanft, aber geistesabwesend über den Rücken strich.
»Die Echsenmenschen«, murmelte er plötzlich mit gerunzelter Stirn. »Die könnten ihnen doch vielleicht gewachsen sein.«
Alle starrten ihn verblüfft an, und Derea gab zu bedenken: »Nach allem, was ich gehört habe, könnte das
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