Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neobooks - Entbehrlich: Thriller (German Edition)

Neobooks - Entbehrlich: Thriller (German Edition)

Titel: Neobooks - Entbehrlich: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. S. Anderson
Vom Netzwerk:
geholt hatte, den Revolver schob er gereinigt zurück in die Schublade. Wie er die verschossenen Patronen ersetzen sollte, wusste er nicht. Das Blut im Schnee wurde am nächsten Tag unbemerkt von Gabelstaplern und Trucks zerfahren. Natürlich war die Sache damit nicht erledigt. Erst musste Ross den verschwundenen Hund erklären und dann den aufgeschnittenen Zaun. Sein Boss, der Boss aller Wachleute, war ein ehemaliger Sergeant der Marines, der ein halbes Bein in Vietnam gelassen hatte. Er mochte Ross. Er kam zwei Tage nach der Sache mit dem Zaun zu Beginn der Nachtschicht und gab ihm eine Videokassette und drei achtunddreißiger Patronen. »Mehr kann ich nicht für dich tun, Junge«, sagte er, »ab jetzt bist du auf dich selbst gestellt. Ich werde dafür bezahlt, der Firma Ärger vom Hals zu halten.«
    Ross kündigte. Zwei Wochen lang verfolgte er die Nachrichten, aber die Leichen tauchten nicht mehr auf. Die Ebbe hatte sie aufs Meer hinausgeschleppt.
    »Walter?«
    Ross kehrte in die Gegenwart zurück.
    Die Frau sagte: »Sie waren gerade ziemlich weit weg. Ich nehme das als ein Ja.«
    »Ein Ja? Ja, was? Kann ich etwas zu trinken bekommen?«
    »Nein.« Sie zündete sich eine Zigarette an. »Erzählen Sie mir davon.«
    »Wovon?«
    »Davon, was Ihnen gerade durch den Kopf gegangen ist.«
    Ross antwortete nicht.
    »Geben Sie mir irgendeinen Hinweis, ein Stichwort, eine Metapher.«
    Ross sagte: »Da war ein Hund«, und dachte: Mach daraus, was du willst.
    Sie überlegte eine Weile, bevor sie wieder sprach. »Würden Sie sagen, dass Sie eine glückliche oder wenigstens eine angenehme Kindheit hatten?«
    Natürlich assoziierte sie den Hund mit seiner Kindheit. Ross sagte: »Ich erinnere mich nicht.«
    »Wie, Sie erinnern sich nicht?«
    »Ich erinnere mich nicht richtig an meine Kindheit.«
    »Wie das?«
    Ross sagte: »Ich erinnere mich nur ganz verschwommen und an meine Kindheit, aber nicht an spezielle Ereignisse. Und bei den wenigen, die mir manchmal einfallen, bin ich nicht sicher, ob sie tatsächlich stattgefunden haben, oder ob ich sie mir einbilde. Verstehen Sie?«
    »Ich glaube, ja. Was ist mit Ihrem späteren Leben?«
    »Ungefähr seit der Zeit, als ich von zu Hause weggegangen bin, wird meine Erinnerung besser. Trotzdem weiß ich manchmal nicht, ob das, an was ich mich erinnere, wahr ist. Ich bin so weit, dass ich gar nicht mehr an die Realität in Erinnerungen glaube. Ich habe mal gelesen, dass man seine Vergangenheit rund um ein paar Schlüsselereignisse jedes Mal neu erfindet, wenn man sie aufruft.«
    »So ungefähr. Sie hören sich an, als hätten Sie sich mit dem Thema beschäftigt. Sie meinen, dass Sie ein Gedächtnisproblem haben, nicht wahr? Machen Sie sich keine Sorgen.« Sie klang belustigt. »Es geht allen Menschen so wie Ihnen. Sie denken sich nur nichts dabei. Ihr Problem ist, dass Sie sich Gedanken machen.«
    »Kann sein.«
    »Was ist mit Ihrem Vater? Wie erinnern Sie sich an ihn?«
    Ein hagerer, dunkelhaariger Mann, mürrisch und jähzornig. Am besten erinnerte sich Ross an seine harten Hände. Er sagte: »Manchmal, wenn ich in den Spiegel sehe. Ich meine, ich bin ihm wohl ziemlich ähnlich.« Ross glaubte, dass Psychologen erwarteten, solche Sachen zu hören.
    »Wie war er? Hat er Ihnen etwas beigebracht? Sie auf das Leben vorbereitet?«
    »Er hatte ein kleines Sägewerk.« In Ross’ Erinnerung gab es eine Prügelei, die er als Acht- oder Zehnjähriger miterlebt hatte und bei der sein Vater einen anderen Mann, einen Kopf größer und zwanzig Pfund schwerer, mit bloßen Fäusten niedergeschlagen hatte. Der große Mann lag zusammengekrümmt und blutete aus Mund und Nase in das Sägemehl, das den Boden knöcheltief bedeckte, während Ross’ Vater ihn trat und mit einem Kantholz erbittert auf ihn einschlug. Dazu kreischten hysterisch und ohne Pause die Sägen. Die Schwarzen unterbrachen ihre Arbeit nicht, und nur wenige beobachteten verstohlen die Szene. Keiner von ihnen wollte die Aufmerksamkeit und die rohe Wut ihres Chefs auf sich ziehen.
    »Er hat Sie zur Jagd mitgenommen, nicht wahr?«
    »Ja.« Das stimmte.
    »Da haben Sie schießen gelernt.«
    »Das ist nichts Besonderes, da wo ich herkomme. Mit zehn Jahren kann jeder Junge schießen. Zuerst hat man ein Zweiundzwanziger, dann einen Dreißigdreißiger, und wenn man erst mal Geld verdient, kauft man sich ein gutes Jagdgewehr. Sie kennen das nicht, aber Jagen und Saufen ist fast das Einzige, was einem bleibt, wenn man es nicht schafft, aus der

Weitere Kostenlose Bücher