Neobooks - Entbehrlich: Thriller (German Edition)
Erst das Mädchen.«
Sie zuckte mit den Schultern und sagte etwas zu dem Soldaten an der Tür. Wenig später war Ross zurück in seiner Zelle.
17. Kapitel
A uf dem primitiven Bett, unter dem unbarmherzigen Licht, dachte Ross über die Frau und die Unterhaltung mit ihr nach. Das Erste, was ihm zu ihr einfiel, war, dass er sie nicht für eine richtige Psychologin hielt. Sie hatte nicht eindeutig geantwortet, als er nach ihrem Beruf fragte, erinnerte er sich. Für seine Begriffe hatte sie das Gespräch nicht systematisch und professionell geführt, und sie besaß weder die berufstypische tückische Sanftmut noch benutzte sie die Deutungs-Taschenspielertricks, die den Umgang mit Psychologen so unangenehm machten.
Aber sie war auch keine Polizistin. Ross hätte eine Polizistin erkannt. Während er darüber nachdachte, begann er zu bezweifeln, dass ihr Interesse an Mördern rein akademisch war. Allen starken Interessen liegen Leidenschaften zugrunde, so viel glaubte er zu wissen. Und die Intensität, mit der sie nach den Menschen fragte, die er noch getötet hatte, erschien ihm im Rückblick lüstern. Es gibt Frauen, die fühlen sich von Mördern und Gewaltverbrechern angezogen; vielleicht ist es weiblicher Machismo, oder umgekehrt, Masochismus, ein Todeswunsch. Bei einigen ist es wohl eine Art Nekrophilie. Sie schreiben Todeskandidaten ins Gefängnis und heiraten sie vor der Hinrichtung dann dürfen sie dabei sein. Vielleicht, überlegte er, ist Denise eine von denen. Vielleicht sieht sie sich die Aufnahmen aus der Tiefgarage an wie einen Porno, ein snuff movie. Vielleicht errege ich sie.
Ich bin kein Freak.
Aber man merkt mir etwas an, dachte er. So wie es Leute gibt, die merken, dass ich ein Bulle war, so gibt es welche, die merken, dass ich … dass es mir nichts ausmacht. Denise weiß es jetzt. Reno, Whittaker und Hauser – sie sind wie ich. Willy? Der will nichts wissen. Myra dagegen fühlt es. Deshalb kann sie mich nicht leiden. Das Mädchen (»Sind Sie ein Spezialist?«). Carol … Carol und Denise sind sich ähnlich, das ist mir im Leo’s sofort aufgefallen. Carol ist eine von denen, sie weiß es nur noch nicht. Oder vielleicht doch.
Und Lourdes. Plötzlich, wie durch eine Eingebung, begann er zu glauben, dass auch seine Frau ihn erkannt und sich deshalb von ihm getrennt hatte. Ross erschrak bei dieser Vorstellung, aber ehe er es verhindern konnte, war er von Erinnerungen umgeben, die ihm alle zu bestätigen schienen, dass Lourdes Angst vor ihm gehabt hatte.
Natürlich nicht von Anfang an. Sie hätte ihn nicht geheiratet, wenn sie es nicht gewollt hätte. Sie war schon einmal verheiratet gewesen, und sie hatte bereits die Staatsbürgerschaft. Nein, am Anfang waren sie ein glückliches Paar und, als das Kind da war, eine glückliche Familie. Wie lange? Vier Jahre?
Das war die beste Zeit in meinem Leben, dachte Ross.
Ab wann war es bergab gegangen? Von dem Tag an, an dem die Schießerei vor dem Mini-Markt im Fernsehen gezeigt wurde. Als sie ihn auf dem Schirm sah, war es, als würde sie einfrieren. Sie drückte das Kind an sich, wie um es zu ersticken, bis es klagend protestierte. Ross glaubte damals, dass sie Angst um ihn hatte. Er wollte sie in den Arm nehmen, doch sie wich vor ihm zurück. »Por favor, Walter.« Mit ihren schwarzen Vogelaugen, die er nie zu lesen gelernt hatte, starrte sie ihn entsetzt an. »Por favor. Eso no. No más.« Keiner von ihnen sprach wieder über den Vorfall, und nach einigen Tagen glaubte er, dass sie darüber hinweg war. Ein Irrtum.
Von da an fragte sie ihn nicht mehr nach seiner Arbeit. Jetzt, rückblickend, sah er deutlich die Anzeichen für ihre wachsende Scheu vor ihm. Da war der Ekel vor seinen Sachen. Als er Detektiv war, brachte er seine Ausrüstung nach dem Dienst mit nach Hause. Pistolen und Reizgas, Weste und Windjacke mit der Aufschrift Police, Schlagstock, Funkgerät, Taschenlampe, Handschellen, Handschuhe und ein paar andere Kleinigkeiten. Die Pistolen und das Reizgas schloß er ein, nicht nur wegen des Kindes, sondern auch, weil seine Frau eine fast panische Abneigung gegen Waffen hatte. Den Rest der Sachen ließ er, weil die Wohnung klein war, in seiner alten Tasche gleich hinter der Eingangstür. Als Lourdes sich einmal darüber beklagte, rief er ihr durch die Wohnung zu, räum’ sie einfach weg, wenn’s dich stört – freundlich genug; Ross verehrte seine Frau und war nie grob zu ihr. Er erntete eine unerwartet heftige Reaktion. Sie explodierte
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