Neobooks - Entbehrlich: Thriller (German Edition)
Er vertraute ihr. Ross sagte: »Ich wollte … ich dachte … ich meine, ich habe befürchtet …«
»Ja? Nur zu. Sie können mir alles sagen, Walter.«
Sie nahm sein Gesicht in beide Hände, er sah mit weit geöffneten Augen zu ihr auf.
»Sie sind schön, Denise. Sie haben schönes Haar.«
»Was wollten Sie, Walter?«
»Ich dachte, Sie wollten … Verstehen Sie, ich habe schon ein paar Wochen lang nicht mehr …«
Sie ließ seinen Kopf los und trat zurück. Sein Oberkörper fiel kraftlos nach vorne, soweit die Fesseln es zuließen. Einen Moment lang ließ sie ihn so sitzen. Ross fühlte, dass sein Magen rebellierte.
Dann begann sie von neuem. »Sehen Sie mich an, Walter!«
Die Spritze hatte Ross in einen Zustand zutraulichen Gehorsams versetzt, und er wäre ihrer Aufforderung gerne gefolgt, aber der Brechreiz hielt ihn davon ab. Er atmete tief, um ihn zurückzudrängen.
»Walter!«
Sie packte wieder seinen Kopf, um ihn anzuheben und Blickkontakt zu erzwingen. Er sträubte sich gegen ihren Griff. Ehe sie fester zufassen konnte, erbrach er vornübergebeugt einen Schwall halbverdaute Nudeln über ihre Beine und Schuhe. Mit einem Schrei wich sie zurück und starrte an sich hinunter. Dann trat sie mit einem großen Schritt wieder zu ihm, riss ihn mit einem Griff in die Haare hoch und schlug ihm mit aller Kraft ins Gesicht. Die Wucht des Schlags schleuderte Ross’ Hinterkopf an die Rückenlehne des Stuhls. Vom Aufprall halb ohnmächtig, sank er wieder nach vorne. Über sich, weit entfernt, hörte er die laute, ärgerliche Stimme der Frau.
Die Männer kamen, schnitten seine Fesseln auf, brachten ihn eilig zurück in seine Zelle und stießen ihn auf das Bett. Als die Tür hinter ihnen zuschlug, sprang Ross auf, getrieben von der Droge, und begann, in dem schmalen Raum zwischen Bett und Wand hin und her zu laufen. Nach kurzer Zeit schwindelte ihn wegen der raschen Kehrtwendungen nach nur vier Schritten und er lief im Kreis, an der Wand entlang, über die Kloschüssel hinweg und über das Bett. Er fing an, vor sich hin zu brabbeln, zu rufen und schließlich zu schreien. Er stand auf dem Bett und schrie in Richtung der Kameras zur Decke hinauf. Als er einmal Luft holen musste, bemerkte er, dass er Publikum hatte. Die Männer mit den Schlagstöcken standen in der offenen Tür. Ross sprang vom Bett und zur Wand und schrie die beiden über seine erhobenen Fäuste hinweg an: »Ihr Scheißkerle!«
Sie grinsten.
»Ihr Scheiße fressenden Bastarde!« Er lachte wild. Er rief: »Egal, was ihr mit mir macht, egal! Ich kann auch Verse aufsagen! Hört ihr? Wie findet ihr das!?
»Cinderella, she seems so easy,
it takes one to know one, she smiles
and puts her hands in her back pockets
Bette Davis style.
And in comes Romeo, he’s moaning …«
In der Tür erschien der Arzt. Ross sang jaulend:
»And the only sound that’s left
after the ambulances go
is Cinderella sweeping up
on Desolation Row …«
Der Arzt drängte sich zwischen den beiden Männern hindurch, trat zu Ross, nahm eines seiner Handgelenke und zog ihn zum Bett. Er nötigte ihn, sich zu setzen, legte einen Arm um seine Schultern und drückte ihm einen Eisbeutel auf die angeschwollene Seite des Gesichts.
Ross sagte am Eisbeutel vorbei:
»Now the moon is almost hidden
and the stars are beginning to hide
the fortune-telling lady
has even taken all her things inside …«
Er hielt den Eisbeutel jetzt selbst. Der Arzt schüttelte ihm aus einem Behälter zwei kleine weiße Tabletten in die freie Hand.
Ross sagte: »Oh, nicht schon wieder. Was ist denn das jetzt?«
»Valium.«
Ross warf sich die Tabletten in den Mund und sagte:
»Everybody’s making love or else expecting rain …«
Als er zum vierten Mal in den Verhörraum gebracht wurde, saß Reno am Tisch, und Ross war froh, ihn zu sehen.
Reno musterte ihn, als er vor ihm Platz genommen hatte. »Ich sehe, Sie haben ein wenig Zusammenarbeit eingetauscht gegen eine Rasur und eine Dusche.«
»Die waren gratis. Ihre Psychologin fand, ich hätte sie nötig.«
»Sie ist keine Psychologin. Aber sie ist fasziniert von Ihnen. Sie glaubt, Sie hätten nicht erst als Soldat getötet, sondern schon vorher, vielleicht schon als Halbwüchsiger. Und Ihre Frau.«
»Meine Frau!?« Ross zerrte erschrocken an seinen Fesseln. »Steht denn in Ihrem Dossier nichts über meine Frau?«
»Regen Sie sich nicht auf, Monsieur Ross. Es ist mir gleich, ob Sie Ihre Frau umgebracht haben. Ich war zweimal verheiratet, und
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