Neongrüne Angst (German Edition)
kürzesten Weg.
Genau so war es auch.
Sie trat einen Schritt zurück, winkte der netten Frau an der Rezeption kurz zu, und als Ben auf ihrer Höhe war, sprang sie aus der Deckung und verpasste ihm ohne jede Vorwarnung eine Ohrfeige.
Er zuckte zusammen und versuchte, sich vom Bürgersteig auf die Straße zu retten, aber dort parkte ein Bulli, der ihm den Weg versperrte.
Um sich zu schützen, hob Ben die Arme vor seinen Kopf und kreischte: »Äi, spinnst du? Bist du völlig bekloppt geworden?«
Johanna schlug noch einmal zu und traf durch die Deckung hindurch sein linkes Ohr.
»Wen hast du alles zu der Party eingeladen, du blöder Idiot, du? Und mit wem hast du darüber gesprochen?«
»Das geht dich doch überhaupt nichts an! Nimm du mal lieber regelmäßig am Unterricht teil, du fehlst doch nur noch! Wenn ich Mama das sage, dann …«
Johanna packte ihn und schüttelte ihn. »Wen du eingeladen hast, will ich wissen!«
So etwas war Ben von seiner Schwester nicht gewöhnt. Er kannte sie so nicht. Sie nörgelte an ihm herum, er empfand sie als Spaßbremse und nannte sie auch gern so, sie war oft zickig und vorwurfsvoll, aber nie aggressiv oder gewalttätig.
Er hatte ihr mal eine reingehauen, das war aber schon viele Jahre her, und seine Mutter hatte ihm deswegen damals unheimlichen Stress gemacht.
Er stieß sie von sich weg: »Ja, ruf doch Mama an und petz! Mein Gott, bist du eine blöde Torte!«
Für eine Schrecksekunde sah es aus, als würde Johanna durch die großen Scheiben ins Hotel fallen. Aber dann federte sie von den Glasscheiben des Hotels wieder zurück und griff ihm in die Haare.
»Nein! Einer von den Dreckstypen, die du zu deiner Party eingeladen hast, beleidigt und erpresst mich!«
Diesmal stieß er sie nicht weg, sondern legte beide Hände auf ihre Hand, mit der sie in seine Haare gegriffen hatte, packte ihren Daumen und bog ihn um.
Sie quiekte auf und ließ ihn sofort los. Jetzt zappelte sie vor ihm herum und bat ihn aufzuhören, weil er ihr weh tue.
»Du nennst meine Freunde nicht mehr Dreckstypen, verstanden? Und wer erpresst dich bitte schön zu was?«
»Sie wollen mich zwingen, dass ich auf deiner Party was mache.«
Er ließ sie los und lachte. »Ich hab dich nicht mal eingeladen. Was sollst du denn auf meiner Party machen?«
Weil sie nicht antwortete, sondern ihren verrenkten Daumen betrachtete, gab er sich selbst die Antwort. »Einen Striptease? Glaub ich kaum! Wer will das denn sehen? Da gäbe es bestimmt ganz andere Kandidatinnen.«
Sie versuchte es noch einmal, diesmal wesentlich freundlicher: »Bitte. Es ist wichtig für mich. Ich bin deine Schwester. Sag mir, wen du alles eingeladen hast.«
Er ordnete seine Haare und sah sich nach links und rechts um. Es wäre ihm peinlich gewesen, wenn einer seiner Klassenkameraden die Szene gerade beobachtet hätte.
»Also okay. Ein paar Typen aus meiner Klasse. Kevin und Paolo und dann Jessy und Tobias.«
Sofort ging Johanna hoch. »Die Jessy! Wieso lädst du die Jessy ein?«
»Weil ich mal mit ihr gegangen bin?«
»Das ist doch genau ein Grund, sie nicht einzuladen! Sie ist jetzt mit Tobias zusammen.«
»Ja und?«
»Machst du dir etwa immer noch Hoffnungen? Willst du sie für dich zurückgewinnen?«
»Nein, ich find sie einfach …«, wieder sah er sich nach rechts und links um, »nett.«
Der Bulli neben ihnen startete jetzt, so dass der Blick auf die Straße frei wurde, wo ein schwarzer Hund eine getigerte Katze jagte. Die Katze sprang auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf einen VW Polo. Als der Hund sich zu ihr hochreckte, verpasste sie ihm eins mit ihrer Kralle. Jaulend zog er sich zurück.
»Ja, vielleicht steh ich noch auf Jessy. Na und? Das geht dich überhaupt nichts an!«
»Wer kommt sonst noch?«
Die Frau von der Rezeption im Hotel Haverkamp kam jetzt zur Tür. Sie hatte den Streit und die kurze körperliche Auseinandersetzung mitbekommen und fragte: »Gibt es ein Problem?«
»Nein«, sagte Ben, »es ist alles in Ordnung. Wir diskutieren nur manchmal ein bisschen leidenschaftlich.«
Dann nahm er seine Schwester bei der Hand und zog sie mit sich fort in Richtung Columbus-Center.
»So, meine Kleine, ich spendier jetzt ’ne Portion Asia-Food bei Phan, und dann beruhigst du dich wieder.«
»Wen hast du noch zu deiner Fete eingeladen?«
»Möchtest du vielleicht, dass ich deinen Leon dazubitte? Dann sag doch was. Ist doch alles kein Problem.«
Es tat Johanna gut zu spüren, wie sehr Ben einlenken wollte,
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