Neongrüne Angst (German Edition)
Büscher sich mit einem dünnen Losverkäufer unterhielt, der lungenkrank aussah und süchtig an der kleinen Kippe einer selbstgedrehten Zigarette sog. An der rechten Hand hatte er lange, schwarze Fingernägel. Seine linke Hand sah ganz anders aus, da waren die Nägel abgekaut bis aufs Blut. Der Zeigefinger und der Mittelfinger der linken Hand waren mit einem Pflaster umwickelt.
Birte Schiller bemühte sich, ihrer Stimme einen harmlosen Klang zu geben. »Hat hier nicht mal ein Grizzlybär gearbeitet? Und ich meine, ich erinnere mich auch an Mickymaus. Ich mag diese schönen, verkleideten Figuren. Das sah viel besser aus.«
Die dicke Verkäuferin lachte. »Ja, fand ich auch. Aber vielleicht mussten die Kostüme in die Reinigung. Ich kaufe auch lieber bei Mickymaus als bei so einem dünnen Hering da.«
Sie nahm einen Bananen-Schoko-Spieß aus der Dekoration und biss hinein. Mit geschlossenen Augen zog sie ein Stück ab und aß genüsslich. Dann leckte sie sich mit der Zunge über die Lippen.
»Hat der«, Schiller deutete mit ihrer Popcorntüte auf den Mann, »früher das Grizzlykostüm getragen? War dem das nicht viel zu groß?«
»Nee, das ist die Mickymaus.«
Birte Schiller bedankte sich für das wirklich großartige Popcorn und schlenderte zu Büscher. Der war schon kurz davor auszuflippen.
»Ja, verdammt nochmal, Sie werden mir doch sagen können, wer sich hier sonst unter dem Grizzlykostüm befunden hat oder die Mickymaus spielte?!«
»Nee, wirklich nicht, ich dachte immer, das sei die echte Mickymaus. Wie, glauben Sie denn, die betrügen die Leute hier und tun nur so, als ob?«
»Das ist hier nicht irgendein witziges Verkaufsgespräch, junger Mann! Mein Name ist Kommissar Büscher. Ich bin von der Mordkommission, und wir …«
»Das erwähnten Sie bereits. Aber nur, weil Sie sich als Kommissar ausgeben, muss ich doch noch nicht behaupten, Mickymaus zu sein. Wir wollen doch nicht beide in der Zwangsjacke landen.«
»Jetzt zeigen Sie mir mal Ihre Papiere«, verlangte Birte Schiller.
Das schmale Handtuch vor ihnen schüttelte den Kopf. »Wenn ich Lose verkaufe, nehme ich normalerweise weder einen Ausweis noch meinen Führerschein mit oder mein Abschlusszeugnis. Glauben Sie, dass die Leute mich so ’n Mist fragen, wenn sie bei mir einen Teddybären gewinnen wollen?«
»In diesem Land gibt es Gesetze«, zischte Büscher, »und daran müssen auch Sie sich halten. Wenn Sie sich nicht ausweisen können, nehme ich Sie zur Feststellung Ihrer Personalien mit aufs Präsidium.«
»Wir wissen, dass Sie die Mickymaus sind«, sagte Birte Schiller, und Büscher nickte beeindruckt.
Aus dem Losstand heraus rief ein großer, blauäugiger Mann mit Hakennase: »Was ist, Donald? Gibt’s Ärger?«
»Wieso nennt der den Donald? Ich denke, der ist Mickymaus?«, fragte Büscher seine Kollegin.
Die zuckte mit den Schultern. »Das soll ja vermutlich der Witz sein. Sie nennen Mickymaus Donald. Wahrscheinlich nennen sie dann Donald auch Micky.«
In dem Augenblick stülpte der Losverkäufer Büscher seinen Eimer über den Kopf und schlug dann mit der Faust dagegen.
Für Büscher machte es Gong , und er fiel um.
Donald rannte los. Kommissarin Schiller folgte ihm.
Christa, die Eisprinzessin, stellte ihr ein Bein. Birte Schiller krachte gegen einen Frührentner, der gerade sein weiches Matjesbrötchen genoss, aber sie fiel nicht hin.
Der Rentner verlor sein Matjesbrötchen und schimpfte: »Nicht so stürmisch, Mädchen!«
Sie rang sich eine flüchtige Entschuldigung ab und wetzte wieder los. An der Fischbude holte Kommissarin Schiller Mickymaus ein.
Hinter ihr nahm Büscher den Eimer vom Kopf und befingerte sein Gesicht.
»Was ist das nur für ein Scheiß-Beruf …«, stöhnte er. »Warum habe ich nicht auf meine Mutter gehört und was Anständiges gelernt?«
44
Johanna kochte vor Wut. Sie wollte ihren Bruder überraschen. Sie hatte keine Zeit, zu Hause auf ihn zu warten, aber sie war sicher, dass er von der Edith-Stein-Schule nicht nach Hause gehen würde, sondern ins Columbus-Center, um bei Phan ein Nasi Goreng zu essen. Dazu würde er eine Cola trinken und sich viel Sambal Oelek aufs Essen schaufeln. Ben war nicht der Mensch, der sich daheim etwas kochte, wenn es auch woanders etwas Fertiges zu kaufen gab.
Phans Asia Gourmet war preiswert, lecker und es ging schnell. Genau das Richtige für Ben.
Sie stellte sich in den Eingang zum Hotel Haverkamp. Hier musste er vorbeikommen, denn er wählte garantiert den
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