Neongrüne Angst (German Edition)
aber gleichzeitig machte es sie misstrauisch. Gehörte er doch dazu? Wollten sie sich bei der Party irgendein mieses Video anschauen, in dem sie die Hauptrolle spielte? Waren die Morde und die Unfälle reiner Zufall gewesen, den sie sich zunutze gemacht hatten? Oder gab es doch einen anderen, monströsen Zusammenhang?
»Ich habe Pit eingeladen und Volker.«
»Pit und Volker? Bist du völlig verrückt? Die sind sich spinnefeind! Die dreschen doch ständig aufeinander ein.«
Er winkte ab. »Ach was, das darfst du nicht überbewerten. Im Grunde sind die total in Ordnung. Der Pit mit seinem Helferleinsyndrom ist halt ein ganz anderer Typ als Volker. Volker …«
Sie unterbrach ihn. »Er ist von der Schule geflogen. Er handelt mit Drogen. Er …«
»Na und? Ist er kein Mensch mehr, nur weil sie ihn von der Schule geschmissen haben? Ich hab mich immer prima mit ihm verstanden.«
»Du mit ihm?«
»Ja. Er hat mich nie verdroschen.«
»Hat er dir auch Drogen verkauft?«
»Jetzt fang bloß nicht so an, Betschwester!«
An der Ecke wurden Waffeln verkauft, und ein fast beängstigend guter Geruch nach Honig und Backwaren hüllte Ben und Johanna ein. Ein paar Radfahrer sausten an ihnen vorbei. Einer von ihnen grüßte freundlich.
»Und dann noch Moni und Agneta.«
»Die Orsayschlampe und die Schickimicki-Maus?«
Er reckte sein Gesicht in Richtung Himmel. »Mein Gott, dir passt aber auch keiner in den Kram! Soll ich alleine feiern? So, und jetzt will ich genau wissen, wer dich wie zu was erpresst.«
»Glaub mir, das willst du gar nicht wissen. Aber wem hast du alles von deiner Fete erzählt?«
»Jedem, der sich dafür interessiert. Wir sind doch kein Geheimbund, und das Ganze ist keine konspirative Veranstaltung. Es ist eine Fete, mein Gott! So, und jetzt zu dir: Wer erpresst dich weshalb? Und ob ich das wissen will!«
Sie waren vor der Drehtür zum Columbus-Center angekommen.
»Ach, vergiss es«, sagte Johanna und machte sich von ihrem Bruder los.
»Hey, was ist? Bisschen Asia-Food?«
»Nein, danke!«
Sie stapfte in Richtung Obststand davon und beschloss, sich ein paar Bananen zu kaufen. Noch bevor sie den Stand erreichte, merkte sie, dass sie etwas anderes brauchte. Nichts Weiches, sondern etwas, in das sie ihr Gebiss hineinschlagen konnte. Vielleicht ein paar Äpfel.
Neben dem Obststand wurden Bratwürste verkauft. Normalerweise stand sie nicht sehr auf Fleisch, aber jetzt sollte es etwas Scharfes sein. Und Heißes. Die Äpfel, dachte sie, esse ich danach.
Sie sah auf die Uhr. Es war kurz vor zwei. Nur noch eine Stunde.
45
Leon bekam von seinem Chefredakteur, was er sich so lange gewünscht hatte: ein richtig dickes Lob. Er habe es drauf, und aus ihm könne wirklich mal ein guter Journalist werden.
Leon spürte, dass dieser Mann ihn fördern wollte und bereit war, ihm eine Chance zu geben. Doch er konnte sich nicht wirklich darüber freuen. Emotional war er mit einer ganz anderen Sache beschäftigt.
Er hatte das Gefühl, am falschen Ort zu sein und jetzt nicht in die Redaktion in Delmenhorst zu gehören, sondern nach Bremerhaven zu Johanna.
Ein Teil von ihm nahm ihr übel, was sie gesagt hatte, und wollte Schluss mit ihr machen und sich anderen schönen Frauen zuwenden, die weniger kompliziert waren und weniger verstrickt in Probleme, wie zum Beispiel Megan Black.
Andere Mütter haben auch schöne Töchter, dachte er. Er fühlte sich so wenig gesehen von Johanna. Sie war so sehr mit sich und ihren Problemen beschäftigt, da ging er völlig unter.
Wie lange hatte sie ihn nicht mehr so angehimmelt wie Megan? Sich um ihn bemüht oder ihm wenigstens irgendwie gezeigt, wie sehr sie ihn mochte. Und trotzdem wollte er all das nicht von irgendwelchen Mädchen, sondern eben genau von ihr. Von Johanna. Und er hatte Angst um sie.
Und während Ralf Freitag vor ihm saß und redete, schweiften Leons Gedanken ab, und er nahm gar nicht mehr wirklich wahr, welches Angebot ihm gerade unterbreitet wurde.
»… ist an die Küste gezogen, lebt jetzt in Ostfriesland. Das ist natürlich für Norddeutschland eine große Sache. Heute Abend kommt er nach Delmenhorst und spricht über Kriminalromane. Ich dachte, das wäre doch etwas für Sie. Ein Interview mit ihm und ein Porträt. Sie stellen ihn vor. Er ist ja so etwas wie … der Krimipapst. Hören Sie mir überhaupt zu, Herr Schwarz?«
Leon setzte sich anders hin und walkte sich durchs Gesicht. »Natürlich. Natürlich höre ich Ihnen zu. Ich bin nur ein bisschen
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