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Neongrüne Angst (German Edition)

Neongrüne Angst (German Edition)

Titel: Neongrüne Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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mir.«

43
    Die Achterbahn lief wieder. Während ein Kegelverein aus Bremen kreischend durch den Looping schoss, übergab sich ein fünfundzwanzigjähriger Chemiestudent aus Baden-Württemberg in die Hochsteckfrisur seiner zukünftigen Schwiegermutter, womit er seinen Beliebtheitsgrad in der Familie nicht gerade steigerte.
    »Eine Kette«, dozierte Kommissar Büscher, »reißt an ihrem schwächsten Glied. Das weiß dieser Hauser ganz genau. Das ist ein abgebrühter Hund. Nur Höllen formen einen so.«
    Birte Schiller sah ihn auffordernd an. Er sollte seine Rede zu Ende bringen. Sie wusste nicht, was er wollte. Manchmal versank er in tiefe Gedanken, grübelte herum, und dann plötzlich spuckte er ein paar Sätze aus und sie sollte den Zusammenhang begreifen. Sie musste ihm dann immer erst auf die Sprünge helfen. Für ihn war es so, als müsste jeder automatisch wissen, worüber er nachgedacht hatte.
    Zu Beginn ihrer Zusammenarbeit hatte sie es einmal angesprochen. Er war dann jedes Mal hochgegangen und hatte sie wie eine Idiotin behandelt. Jetzt zeigte sie ihm nur noch mimisch und gestisch, dass er mit ein bisschen mehr Informationen herausrücken musste.
    »Ist doch klar. Deshalb verrät er uns nicht, wie der Grizzlybär heißt und wer unter dem Mickymaus-Kostüm steckte. Er weiß, dass die Jungs sofort zu Singvögeln werden, wenn wir ihnen ein bisschen Feuer unterm Hintern machen.«
    »Was sollen sie uns verraten, was wir nicht schon lange wissen?«
    »Die Verstrickungen sind viel komplizierter, als du denkst, Löckchen. Hauser hat eine Menge Dreck am Stecken und mit diesem Milhailo und der ganzen Bande irgendwelche Geschäfte laufen. Wir sollen ihnen nicht auf die Schliche kommen, deshalb regeln sie ihre Sachen hier selbst. Und wenn du mich fragst, es geht um Drogen. Und zwar einen ganzen Lastwagen voll.
    Birte Schiller war zwar allergisch gegen Milchprodukte und bekam schon Pickel, wenn sie anderen Menschen nur beim Softeisschlecken zusah, doch der Geruch von Popcorn war für sie von Kindheit an unwiderstehlich gewesen. Sie verband damit die schönsten Kinoerlebnisse mit ihrem Vater. Er hatte ihr immer vor der Vorstellung eine Tüte Popcorn gekauft. Manchmal waren sich im Dunkeln ihre Finger begegnet, wenn sie in die Tüte griffen. Popcornduft katapultierte sie jedes Mal zurück in den großen Kinosaal, den sie regelmäßig mit ihrem Vater besucht hatte.
    Sie kämpfte gegen den Wunsch an, sich dort jetzt sofort eine große Tüte zu holen und sie leer zu essen. Sie überlegte sogar einen Moment, ob sie sich eine Tüte mit nach Hause nehmen sollte, um das Popcorn dann vor dem Flachbildschirm zu genießen, um ein bisschen mehr in das Gefühl mit ihrem Vater zurückzukommen.
    Es waren zwar Losverkäufer da, aber niemand trug ein Kostüm. Büscher deutete mit Blicken an, dass er sich um die Losbude kümmern würde, und schickte Schiller zum Popcornstand. Sie wusste genau, warum er das tat. Seine Chancen, einen Treffer zu erzielen, waren damit ungleich größer als ihre, denn mehrere Zeugen hatten ausgesagt, dass sowohl Mickymaus als auch der Grizzlybär auf dem Freimarkt Lose verkauft hätten.
    Trotzdem tat Birte Schiller, was Büscher stumm von ihr verlangt hatte.
    Die Verkäuferin war klein und dick. Der Wagen bewegte sich bei jedem ihrer Schritte knarrend mit, so als könne sie jeden Moment durch den Boden brechen oder das Ganze aus dem Gleichgewicht geraten.
    Sie hatte ein freundliches, offenes Gesicht mit dicken roten Wangen, denen man ansah, dass die Sonne mindestens einen halben Tag lang voll in den Verkaufsraum ballerte.
    Sie sang fröhlich ein Lied und ließ sich vom Geplärre der anderen Musikanlagen nicht erschüttern. Sie sang:
    »Drü Chünüsen müt düm Küntrübüss
    süßen üf dür Strüße ünd ürzühltün süch wüs.»
    Küm dü Pülüzü, jü, wüs üst dünn düs?
    Drü Chünüsün müt düm Küntrübüss!»
    Kommissarin Schiller fragte sich, wieso plötzlich alle Leute diesen alten Song trällerten. Sie bestellte sich eine kleine Tüte Popcorn süß. Die fröhliche Verkäuferin griff aber zu einer Maxitüte.
    »Wenn das die kleine ist«, fragte Birte Schiller, »wie sieht dann die große aus?«
    Mit einem wunderschönen, pausbäckigen Lachen kam die Antwort: »Wenn Sie unser Popcorn erst mal probiert haben, ärgern Sie sich sowieso über die kleine Tüte.«
    Birte nickte der Frau zu, zahlte die Maxitüte und stopfte sich eine erste Ladung in den Mund. Sie kaute und sah zum Losstand rüber, wo

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