Neongrüne Angst (German Edition)
als der, der mit gestohlenen Äpfeln und Rosinen gebacken wurde. Das weiß doch jedes Kind.«
»Du willst, dass ich klauen gehe?«
»Klauen hört sich so … primitiv an. Es wird das Verhältnis zwischen Ben und dir bestimmt verbessern, wenn du zu seiner Party ein paar Spezialitäten beisteuerst.«
»Das ist doch alles dummes Zeug. Ich lass mich von euch doch nicht verarschen!«
Ihr wurde immer deutlicher, dass ihr Bruder mit in der Sache drinsteckte.
»Ich mache keine Scherze. Das solltest du doch inzwischen gelernt haben. Ich sage dir, was du stiehlst, wo und wann. Und wenn ich es wünsche, wirst du dabei sogar ein Lied singen, kapiert, Josy? Heute Nachmittag beginnt die Einkaufstour. Und zwar um Punkt fünfzehn Uhr.«
»Und du wirst mit Jessy und Tobias zusehen, wie ich schlotternd vor Angst irgendwas klaue. Und dann – ruft ihr die Bullen? Wollt ihr mich komplett fertigmachen? Was seid ihr nur für blöde Spinner!«
Je mehr sie sich aufregte, umso ruhiger wurde seine Stimme.
»Ich weiß nicht, was Jessy und Tobias in der Zeit tun. Aber ich weiß, dass deine Mutter bestimmt einen schönen Urlaub haben wird und sich um nichts Sorgen machen muss …«
Die unverhohlene Drohung, die in diesen Worten lag, machte Johanna für einen Augenblick stumm.
Wenn ich mich jetzt voll mit dem zanke, dachte sie, und nicht mache, was er will, und dann passiert meiner Mutter was … Das verzeihe ich mir nie.
Einerseits wuchs ihre Wut auf Ben. Alles, was der Verehrer am Telefon erzählte, konnte er nur von Ben wissen. Gleichzeitig sprach das alles Ben aber auch frei, denn sie konnte sich zwar gut vorstellen, dass ihr Bruder auf ihre Kosten grobe Witze riss und sich bei den anderen beliebt machte, indem er ihnen half, seine Schwester vorzuführen. Aber es war undenkbar, dass er versuchen würde, sie dazu zu bringen, Wein oder Chips für ihn zu stehlen. Er wäre auch nie damit einverstanden, dass ihrer Mutter gedroht wurde.
Natürlich gehörte die Stimme am Telefon nicht Ben. Das war ganz klar. Möglicherweise aber einem seiner Freunde.
»Kann ich mich auf dich verlassen, oder wirst du mich wieder enttäuschen?«
»Und wenn ich dich enttäusche? Suchst du dir dann eine andere?«
»Keine Angst. Ich bin treu. Fünfzehn Uhr, Josy.«
»Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich …«
»Oh doch, genau das glaube ich.«
Zwei Mädchen aus der Sieben kamen in die Toilette. Sie hatten Zigaretten dabei und wollten die Geheimnisse des Wochenendes miteinander teilen. Johanna hörte sie kichern.
Wieder veränderte sich der Ton des Verehrers. Es war fast wie eine zweite Person mit einer ganz anderen Stimme. Es war ein schneidig-scharfer Zungenschlag.
»Also, gehen wir die Einkaufsliste noch mal durch. Was besorgst du im Supermarkt?«
Sie hörte sich selbst antworten: »Chips und Knabberzeug.«
»Gut. Die Auswahl überlasse ich dir. Den Mist isst sowieso kein vernünftiger Mensch. Und dann?«
Sie dachte nach. Die Anwesenheit der beiden Mädchen aus der Sieben nervte sie jetzt ungeheuer, aber sie konnte die zwei schlecht aus der Toilette verjagen.
Ein Feuerzeug klickte mehrfach.
Johanna kam auf eine Idee.
»Ihr wisst schon, dass die hier neuerdings Rauchmelder angebracht haben?«, fragte Johanna.
Die beiden zuckten zusammen und ließen Feuerzeug und Zigaretten verschwinden. Sie spürten, dass sie unerwünscht waren, wollten sich mit Johanna, die als Zicke verschrien war, nicht anlegen und trollten sich.
Als die Tür hinter ihnen zufiel, forderte er: »Was ist?«
»Hier waren zwei. Ich wollte keine Zuhörer haben.«
»Also. Was sollst du sonst noch mitbringen? Ich höre.«
»Mediterrane Vorspeisen. Olivenöl und Wein.«
»Nein, den Wein sollst du nicht dort holen, sondern bei Lorenzen. Und nicht irgendwelchen Wein, sondern?«
Sie musste zugeben, dass sie es nicht mehr wusste.
»Kannst du dir nicht mal den Namen einer Weinsorte merken? Wie willst du denn dein Abi bestehen?«
Das war inzwischen in so weite Ferne gerückt, darüber dachte sie schon gar nicht mehr nach.
Er sprach es ganz langsam und deutlich aus: »Château de Pez. Außerdem hast du etwas vergessen. Den Likör. Altleher Hahnentritt. Ich lege Wert darauf, dass du meine Bestellung ernst nimmst und korrekt ausführst, ist das klar?«
»Und das alles soll ich dann meinem Bruder geben, ja?«, fragte Johanna pampig nach.
»Nein«, lachte ihr Verehrer, »nein! So nicht. Es soll ja eine Überraschung werden. Wie es genau weitergeht, erfährst du dann von
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