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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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keine Furcht darin und kein Misstrauen. Aufatmend wandte Avartos sich zu Nando um.
    »Sie ist für uns verloren«, sagte er ruhig. »Noemi ist tot.«
    Nando starrte den Engel an, und zum ersten Mal, seit er Avartos kannte, empfand er Zorn beim Anblick dieses schönen und reglosen Gesichts. Er ballte seine metallene Hand zur Faust, mit einem Ruck riss er den Schild in die Luft und schlug ihn Avartos vor die Brust, dass dieser zurücktaumelte.
    »Ich bin ein Krieger der Schatten«, rief er und spürte, wie die Entschlossenheit seine Stimme eiskalt werden ließ. »Ich wurde ausgebildet von Alvoron Melechai Di Heposotam, ich stand in der Lehre Antonios, des Engels, der mehr gewesen ist als alles, was du jemals begreifen wirst! Und als sein Schüler werde ich dort hinauffliegen!« Avartos holte Atem, doch Nando ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Ich werde Noemi aus Bhroroks Klauen befreien! Ich werde sie in Sicherheit bringen, genau das werde ich tun, Krieger des Lichts, und du wirst mich nicht daran hindern!«
    Es war, als würde die Maske vor Avartos’ Gesicht Risse bekommen, und durch diese Wunden strömten Empfindungen über seine Züge, Erstaunen, Unwillen und Zorn. »Bhrorok ist vor den Ovo geflohen«, erwiderte der Engel finster. »Er hat sich in die Schatten zurückgezogen, und du kannst sicher sein, dass er zu alter Stärke zurückgekehrt ist, wenn er dir gegenübertritt. Er wird dir mit seiner gesamten Kraft begegnen, er will dich vernichten – und er wird keine Gnade zeigen.«
    Nando spürte sein Herz in der Kehle, aber seine Stimme klang ruhig, als er antwortete: »So wenig wie ich selbst.«
    Avartos’ Blick glitt über sein Gesicht, als wollte der Engel nach einer Antwort suchen auf eine Frage, die er noch nicht in Worte fassen konnte. Prüfend sah er Nando an und mit dem üblichen Spott in den Augen, aber dort, weit hinten im Gold seiner Iris, spiegelte sich eine andere Empfindung, etwas, das Nando selten zuvor in Avartos’ Blick gesehen hatte und das ihn befremdete, nun, da es das Gesicht des Engels adelte. Entschlossen umfasste er Olvryons Schild und reichte ihn Avartos.
    »Bringe diese Nephilim sicher zum Schwarzen Fluss«, sagte er leise. »Lass mich gehen und meine Aufgabe erfüllen. Ich muss mich ihr stellen, es gibt keine Möglichkeit zum Aufschub mehr, und ich weiß, dass ich stark genug sein kann – stark genug für die Finsternis, die mich ersticken will. Warum hast du mich hierher begleitet, wenn du mir nicht vertraust?«
    Avartos schwieg, doch das Gold seiner Augen flammte in hellem Feuer, und da erkannte Nando, was das Gesicht des Engels so strahlend erscheinen ließ. Achtung lag in Avartos’ Blick. Wortlos nahm er den Schild entgegen, um jene zu schützen, die er zeit seines Lebens verfolgt hatte, und gab den Weg frei. Nando neigte kaum merklich den Kopf. Dann breitete er die Schwingen aus und raste über die Kämpfenden hinweg, geradewegs hinauf zur Schwarzen Brücke.
    Bhrorok war nirgendwo zu sehen, doch Nando zweifelte nicht daran, dass er sich bereits auf dem Weg befand, langsam und reglos, um seinen Körper vollständig heilen zu können, ehe er dem Teufelssohn das Leben aus dem Leib pressen würde. Entschlossen drängte Nando die Gedanken an den Dämon beiseite. Er musste Noemi von der Brücke locken, er musste sie vor einem Sturz in die Tiefe bewahren, nichts anderes war in diesem Moment von Belang.
    Noemi stand auf der Brüstung wie eine Figur aus Wachs. Ihr Haar umwehte sie wie ein Schleier aus Seide, und er musste daran denken, wie sie vor so kurzer Zeit gemeinsam auf ebendieser Brücke gestanden hatten. An einen Raben mit seltsamen Augen hatte Noemi ihn erinnert, und noch immer meinte er, dieses Wesen in ihr zu erkennen, doch ihr Blick war leer, und sie schien ihn nicht zu bemerken, als er hinter ihr landete. Eilig trat er einen Schritt auf sie zu, doch sofort fuhr sie herum, als wäre er eine Bedrohung. Ein dunkles Licht glomm in ihren Augen und verlieh ihren Zügen etwas Krankes und Wahnsinniges, das Nando schaudern ließ. Er holte tief Atem. Er wollte sich nicht von der Maske blenden lassen, die auf ihren Zügen lag, er wollte den Raben sehen, den sie im Inneren trug, und nicht den Dämon, der über sie herrschte. Beruhigend hob er die Hände und starrte gegen die Finsternis in ihrem Blick, ohne sie zu sehen. Denn hinter dieser Mauer lag der Rabe in Fesseln, und er war es, zu dem Nando gekommen war – zu niemandem sonst.
    »Und ich dachte, dass ich der Einzige wäre, der bei

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