Nephilim
hingen ihre Schwingen von ihrem Rücken hinab, der Bann war so stark, dass Nando seine Finsternis fühlen konnte. Er sah das Entsetzen weit hinten in Noemis Blick, als Bhrorok sie zwang, den ersten Schritt hinein ins Nichts zu tun – und hob die Hand.
Bhrorok hielt inne, ein Lächeln glitt über sein Gesicht wie ein Fluch, und Nando spürte seinen Blick glühend auf seiner Haut, als er sich zu dem Dämon umwandte. Wortlos trat er auf ihn zu, schon sah er die Gier in Bhroroks Augen und spürte die Furcht, die sich wie Gift in ihm selbst ausbreitete, doch er drängte sie zurück. Er sah Noemi vor sich, hilflos und verloren, und auch wenn er wusste, dass jeder Schritt ihn seinem Ende näher brachte, so fühlte er doch, dass er sie nicht verraten durfte – um keinen Preis der Welt. Er hatte Bhrorok beinahe erreicht, als ein Flüstern durch seine Gedanken ging.
Dann wirst du fallen , sagte Noemi kaum hörbar. Und ich mit dir.
Nando sah noch, wie Noemi den Kopf in den Nacken riss, und hörte Bhrorok schmerzerfüllt schreien. Im nächsten Moment schaute er Noemi in die Augen, sie waren grün wie bei einer Katze, und ein Lächeln stand auf ihren Lippen. Dann breitete sie die Arme aus und stürzte sich in den Abgrund.
Nando zögerte nicht. Er schleuderte Bhrorok einen Sturmzauber ins Gesicht, der den Dämon rücklings die Brücke hinaufkatapultierte, und raste hinter Noemi her. Der Wind peitschte über seinen Körper, so schnell flog er dahin, doch er fühlte es kaum. Entschlossen eilte er Noemi nach und packte sie. Sofort strömte der Bannzauber Bhroroks in seinen Körper, die Magie lähmte seine Schwingen, er wurde hilflos und raste mit Noemi in den Armen auf den Schwarzen Fluss zu. Ihr Haar hüllte ihn ein, und für einen Moment sah er sie wieder auf der Brücke stehen, allein und einsam nach Silas’ Tod, und dann gemeinsam mit ihm, als sie über das Schwert Bhalvris gesprochen hatten. Still schaute sie ihn an, das Gesicht gezeichnet von Bhroroks Gewalt, doch den Blick furchtlos auf ihn gerichtet . Er sah das Bild Olvryons vor sich, sah sich selbst, fliegend und fallend, und er ballte die Hände zu Fäusten. Er war es, der entschied, ob er fiel – niemand sonst. Mit aller Kraft spannte er die Schwingen, er stemmte sich gegen die Dunkelheit, die ihn ersticken wollte, und mit seinem Schrei, der die Schatten zerfetzte, schleuderte er Bhroroks Bann von seinem Körper und erhob sich mit Noemi in die Luft. Rasend schnell schoss er dahin, ein fulminantes Triumphgebrüll hallte in seinem Inneren wider, doch gleich darauf raste ein mächtiger Donnerzauber auf sie zu. Krachend schlug er direkt vor ihnen in eine Hauswand ein. Nando warf den Kopf zurück und sah Bhrorok, der reglos auf der Brücke stand und zu ihnen hinabsah. Sein Gesicht verriet den Schmerz, den Noemi ihm bereitet hatte. Sie hatte seine Kontrolle zurückgewiesen, sie hatte ihn mit all ihrer Kraft aus ihren Gedanken geworfen, und Nando spürte Genugtuung, als er den Zorn auf Bhroroks Zügen sah.
Da sprang der Dämon mit einem gewaltigen Satz von der Brücke und raste ihnen hinterher. Eilig flog Nando im Zickzack durch die Häuserschluchten und gewann an Höhe, doch Bhrorok schleuderte ihnen Zauber nach und holte rasch auf. Atemlos warf Nando einen Blendzauber hinter sich, eilte mehrere Gassen hinab, glitt durch eines der zerbrochenen Fenster eines Hauses und eilte durch die Zimmer, ehe er erschöpft innehielt. Noemi sank schwer atmend zu Boden und lehnte sich gegen die Wand. Nando griff nach ihrer Hand.
»Lass mich hier«, flüsterte sie kaum hörbar. Das Sprechen fiel ihr schwer, sie brauchte ihre gesamte Kraft, um Bhroroks Willen aus ihren Gedanken zu verbannen. Nando schüttelte den Kopf, doch schon hörte er, wie der Dämon ganz in der Nähe einen Schrei ausstieß. Er rief nach Nando, tosend brach sich sein Gebrüll seinen Weg.
»Geh«, sagte Noemi eindringlich. »Ich werde ihn von mir weisen, solange ich kann, aber … «
Sie stöhnte unter Schmerzen auf, als der Drudenfuß auf ihrer Stirn sich pechschwarz verfärbte. Nando wusste, dass Bhrorok sie töten würde, wenn er sich nicht beeilte.
»Aldros hatte Ähnlichkeit mit dir«, flüsterte Noemi, und Nando hob erstaunt die Brauen. Für einen Moment stand er wieder neben ihr auf der Schwarzen Brücke, ihr Haar wehte im Wind, und sie wandte den Blick ab, als Wärme die Maske auf ihren Zügen schmolz. Doch nun sah sie ihn an. »Der Teufel ruft seine Kraft nicht in irgendwem. Er ruft sie wach in den
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