Nephilim
erkennen, niedergestreckt und sterbend, das Schwert in den Händen. Gleich darauf ging ein Stöhnen durch den Wall, und mit einem ohrenbetäubenden Krachen brach er in sich zusammen.
Taumelnd kam Nando auf die Beine. Er hörte nichts mehr als ein kreischendes und nervenzerfetzendes Piepen in seinem Schädel, und wie in Trance sah er die Horden der Dämonen, die als todbringendes Meer von allen Seiten auf die Nephilim zurasten. Es war, als würden die Schatten aus Bantoryns Ruinen auferstehen und sich in die Fratzen der Hölle verwandeln, um die kleine Insel der Aufständischen mit einem einzigen Schlag in den Abgrund zu reißen. Die Gesichter der Nephilim verzerrten sich in Panik, mit ungebrochener Wucht gingen die Zauber auf sie nieder, und Nando sah wie in Zeitlupe, wie die Dämonen sich auf die Nephilim stürzten und sie in einen ungleichen Kampf verwickelten. Er schickte Flammenzauber gegen die Feinde, bis sein Herz in seiner Brust raste. Doch keiner von ihnen griff ihn an. Sie glitten an ihm vorüber wie aufgewühlte Wellen, und kaum dass er dies bemerkte, fühlte er die Kälte, die durch die todbringende Menge der Dämonen auf ihn zukroch. Noch hatte Bhrorok sich nicht geheilt, noch stärkte er seine Kräfte. Doch dann würde er kommen – er, der Oberste Scherge der Hölle, er, der Einzige, der den Teufelssohn vernichten durfte.
Entschlossen packte Nando sein Schwert und verwundete drei Dämonen tödlich, die Ilja und zwei weitere Nephilim in die Enge getrieben und schwer verletzt hatten. Nando fiel neben ihnen auf die Knie, rasch legte er einen Schutzwall über sie, doch als Ilja nach seiner Hand griff und zu ihm sprach, konnte er ihre Worte nicht hören. Ihre Lider flatterten, hilflos schickte er einen Heilungszauber durch ihren Körper. Blut lief aus einer tiefen Wunde an ihrer Hüfte, und noch während sein Schutzwall unter den Hieben etlicher Dämonen erzitterte, sah er die Nephilim um sich herum fallen. Sie sanken in den roten Staub des Mohns, die Augen schwarz vor Verzweiflung, und als Nando den Kopf in den Nacken riss und schrie, da hörte er nicht einmal seine eigene Stimme. Ein Pochen vernahm er aus dem Grund der Erde, ein Dröhnen von solcher Tiefe, dass es in seinem Inneren widerhallte. Atemlos presste er die Hände gegen den Boden, doch da traf ein heftiger Schlag seinen Schutzwall. Die Erschütterung schleuderte ihn zu Boden, sein Kopf schlug auf den Steinen auf, und da fühlte er den Ton, der die Welt durchdrang, spürte, wie er zitterte, und wusste, dass es ein Herzschlag war, der die Stadt in diesem Augenblick durchzog – und das Leben, das aus ihr wich.
Der versagende Herzschlag pulste durch Nandos Adern, er sah die stärksten Krieger der Schattenwelt, die wie ein erlöschender Schimmer inmitten der Finsternis standen und keine Chance hatten, gegen sie zu bestehen. Bantoryn war verwundet worden durch die Engel, es hatte Demütigung erfahren durch die Dämonen, doch erst jetzt, da die Übermacht der Hölle über die Nephilim kam und sie in den Abgrund riss, sank sie in die Dunkelheit. Sie lag im Sterben, die Stadt jenseits des Lichts, und Nando spürte die Verzweiflung darüber so heftig in seiner Brust, dass er meinte, sie müsste ihn zerreißen. Der Tod ist etwas, das du niemals begreifen wirst, flüsterte Noemis Stimme durch seinen Kopf – und im selben Moment spürte er, wie die Träne Olvryons auf seiner Brust eiskalt wurde und wie Nebel über seine Wangen strich, kühl und lautlos.
Nando stockte der Atem, plötzlich hörte er Stimmen durch die Taubheit dringen, verschlungene, rätselhafte Stimmen, die ihm so vertraut waren wie sein eigener Atem. Er kam auf die Beine und mit einem Schrei, der wie von ferne zu ihm klang, riss er die Träne in die Luft. Sie entflammte sich zu einem goldenen Schild, der ihn selbst zeigte: fliegend oder fallend. Schützend hob er ihn über Ilja und die beiden Nephilim, er sah die Dämonen, die unter den Gesängen aufschrien und von ihren Opfern abließen, und hielt den Blick auf den Nebel gerichtet, der rasch vom Fluss heraufzog – der Nebel der Ovo, der gekommen war, um die Nephilim zu schützen.
50
Nando sah Olvryon erst, als er direkt vor ihm stand, und wie damals, bei ihrer ersten Begegnung, fühlte er eine tiefe Demut beim Anblick des Herrschers der Ovo. Er neigte den Kopf vor Olvryon und hörte Noemis Stimme in seinen Gedanken. Du hast ihm das Leben gerettet, Nando, denn du hast um ihn geweint. Eines Tages wird er dir dafür danken, dessen
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