Neptuns Tochter 1
nicht. Aber als sie auf dem Weg in die Küche an Timeas Büro vorbeiging – an der nicht ganz geschlossenen Tür, wohlgemerkt –, wurde sie abrupt gebremst.
»Ich sage es Ihnen noch einmal, Timea«, drang Gernot Hampfs Stimme durch den Türspalt, »das hier ist die einzige Alternative, die Sie haben.«
»Abwarten«, presste Timea heraus.
Leises, höhnisches Lachen war zu hören. »Sie glauben doch wohl nicht, dass Sie aus der Nummer noch rauskommen.« Kurz knisterte Stoff, dann raschelte Papier. »Wie Sie sehen, habe ich alle Trümpfe in der Hand.«
Mika konnte das feiste Grinsen ihres Ex-Chefs fast durch die Tür sehen. Sie hatte Timea versprochen, nicht zu stören. Dabei wäre sie am liebsten hineingestürmt und hätte . . . Mika schluckte . . . vermutlich wie Don Quichote gegen Windmühlen gekämpft.
»Was auch immer Sie glauben, Herr Hampf«, sagte Timea in der ihr eigenen eisigen Stimme, »noch sind Sie nicht am Ziel.«
Sehr gut , applaudierte Mika im Flur. Bloß nicht von diesem Kerl unterkriegen lassen.
»Ach Sie meinen, wegen der verbleibenden zwei Wochen.« Gernot Hampf lachte. »Denken Sie, dass Sie plötzlich das schaffen, was Ihnen in den letzten Monaten nicht gelungen ist?« Er lachte noch eine Spur lauter und gemeiner.
Bitte, Timea, schmeiß ihn raus , flehte Mika im Stillen. Wir finden einen Weg, versprochen.
»Vielleicht wird mir das nicht gelingen«, gab ihm Timea recht. »Das ändert aber nichts an meiner Haltung.«
Der Stuhl vor Timeas Schreibtisch ächzte. Offensichtlich beugte sich Gernot Hampf nach vorn. »Wenn Sie nicht spätestens in zehn Tagen unterschreiben, Timea, dann wird das für Sie noch schwerwiegendere Folgen haben«, sagte er leise. »Meine Kunden wollen keinen Tag länger auf die Vertragsunterzeichnung warten.«
Mika ballte die Hände zu Fäusten. Ich habe es ihr versprochen. Ich darf nicht stören. Sie wartete auf eine entsprechende Reaktion von Timea. Darauf, dass sie Gernot Hampf in seine Schranken verwies. Nichts.
»Wie ich sehe, erkennen Sie langsam den Ernst der Lage«, sagte Gernot Hampf zufrieden. Wieder ächzte der Stuhl. »Also, Timea. Ich sehe das so. Sie überschreiben mir diesen Schuppen. Sie werden mit Ihrer Oma bestimmt was Passenderes finden.« Er schwieg kurz. »Die Möbel sind nichts wert, die können Sie mitnehmen. Dafür bleibt der Name Illay sauber.«
Es war wie ein Stich, mitten ins Herz. Timea sollte ihr zu Hause aufgeben? Mika musste sich verhört haben. Aber all die Momente, in denen Timea so verzweifelt gewirkt hatte . . .
»Das ist auch in meinem Interesse.« Gernot Hampf lachte schon wieder. »Schließlich wollen meine Kunden auch von der allseits bekannten und seriösen Timea Illay bedient werden.«
»Zehn Tage«, hörte Mika Timea flüstern. »Ich gebe Ihnen Bescheid, Herr Hampf«, sagte sie etwas lauter.
Das durfte nicht wahr sein! Timea Illay resignierte vor diesem Ekelpaket! Das war so schrecklich ungerecht, dass dieser Kerl als Sieger vom Platz gehen sollte.
»Gut«, stimmte Gernot Hampf zu. »Ich komme beim nächsten Mal mit den Verträgen.« Erleichtert knarzte der Stuhl, weil er anscheinend von dem Gewicht der Hölle befreit wurde.
Rasch wollte Mika in die Küche fliehen, denn sie hörte die Schritte ihres Ex-Chefs näherkommen. Aber es war schon zu spät.
»Ach, wen haben wir denn da?«, feixte er. »Frau David höchstpersönlich.« Er blieb direkt vor Mika stehen. »Habe ich Ihnen nicht gesagt, dass ich auch ohne Ihre Hilfe mein Ziel erreiche?« Er zeigte sein breitestes Grinsen. »Und Ihren Wunsch, Sie wissen schon, den werde ich gern erfüllen.« Er drehte sich noch einmal zu Timea um. »Bis die Tage, Timea.« Und zu Mika sagte er: »Bis vor Gericht, Frau David.« Pfeifend machte er sich davon.
Mika schickte ihm sämtliche Flüche hinterher, die ihr gerade einfielen.
»Hast du genug gehört, Mika?«, fragte Timea aus ihrem Büro. Sie klang nicht verzweifelt, auch nicht wütend. Sie klang . . . enttäuscht.
Langsam stand Timea auf und kam auf Mika zu. Eine eiskalte Stimmung breitete sich aus.
»Timea . . .«, flüsterte Mika.
»Spar dir deine Erklärungen.« Timea Illay verharrte vor Mika wie damals Neptuns Tochter. Aufrecht und stolz. »Ich habe dich gebeten, nicht zu stören.«
»Das habe ich auch nicht«, verteidigte sich Mika.
»Du hast gelauscht, das reicht.«
Mikas Blick war auf ihre Schuhspitzen gerichtet. »Es war doch nur . . . Zufall«, flüsterte sie.
»Das ist egal.« Timeas
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