Neptuns Tochter 1
fixierte mit den Augen Timeas Firmenlogo. »Dann ist es ja gut, dass du nicht die ganze Wahrheit kennst«, sagte sie. Denn wenn Timea wüsste, dass Mika nachts von ihr träumte – oder vielleicht sogar, was Mika nachts von ihr träumte – dann würde auf diesem Zettel nicht stehen: »Bin den ganzen Tag außer Haus«, sondern eher: »Mache ab sofort eine Ausbildung zur Astronautin.«
Das wäre doch eine Möglichkeit für sie, diesem Idioten Hampf zu entgehen. Vielleicht sollte Mika mal Frau Schneider vom Jobcenter fragen, ob das Arbeitsamt auch in diese Richtung vermittelte. Mika zwinkerte dem Firmenlogo zu. »Wieso soll ich das machen. Wir packen einfach diesen Idioten in ein Spaceshuttle und ab, fort.« Dann könnte er um die Erde kreisen. Das wäre eine gute Übung, um zu erkennen, dass es nicht umgekehrt war. Was auch ihrem Vater ganz gut tun würde.
Die nächsten Stunden verbrachte Mika damit, sich mit dem Bürostuhl im Kreis zu drehen, Pausen zu machen oder darüber nachzudenken, wie sie Gernot Hampf und ihren Vater am besten verfrachten könnte, ohne dass die merkten, was Sache war.
Diese Beschäftigung machte Spaß. Seit Langem fühlte sich Mika wieder entspannt. Leider wurde sie irgendwann vom Läuten des Telefons unterbrochen.
»Hallo Adrienn«, begrüßte Mika ihre Chefin. »Schön, dass Sie sich mal melden.«
»Ich wollte wissen, wie weit Sie inzwischen sind«, erklärte Adrienn.
»Och . . .«, Mika schaute auf das Blatt, auf dem sie ihre Ideen zusammengefasst hatte. Abenteuerlich zwar, aber als Alternativen durchaus brauchbar, wie sie fand. »Das läuft prima. Ich kann mir sogar schon Gedanken über einen Urlaub in Florida machen.«
»Wie bitte?« Adrienn klang verwirrt.
»Ja. Ich habe darüber einen Bericht gesehen. Das Meer – klasse. Und dann Cape Canaveral. Wie imposant das ist. Die Krokodile, die da herumlungern.« Mika malte den Krokodilen auf ihrer Ideensammlung grinsende Mäuler. »Ich kenne einige Leute, die von ihrer Art die perfekten Astronauten wären«, fuhr sie fort. »Das wäre ein Herzenswunsch von mir, denen das alles zu zeigen.« Genau, ab mit ihnen in eine Rakete und . . . Mika machte mit der Hand eine leichte Aufwärtsbewegung.
»Sie sprechen in Rätseln, Mika«, beschwerte sich Adrienn. »Ist bei Ihnen alles in Ordnung?«
»Doch, doch«, erwiderte Mika. »Ich bin heute nur etwas abgelenkt.«
»Ist Timea nicht hier?«
»Sie hat einen Außentermin, wollte aber gegen Abend zurück sein«, warf Mika sofort verteidigend ein. Schließlich hatte Adrienn erwartet, dass Timea hier im Haus blieb.
»Sie arbeitet zu viel«, stellte Adrienn fest. Ungehalten klang das jedoch nicht – eher traurig.
»Ja«, bestätigte Mika. Sie zog die Stirn kraus. »Diese Sache macht ihr halt Kopfzerbrechen.« Vielleicht würde Adrienn darauf anspringen und etwas ausplaudern.
Fehlanzeige. Adrienn seufzte noch einmal auf und begann von ihrer Kur zu erzählen. Eine Viertelstunde später war das Telefonat beendet, und Mika war so schlau wie vorher.
»Wie bekomme ich bloß heraus, was dieser Hampfelmann vorhat?«, überlegte Mika laut. An diesem Punkt war sie schon öfter. Immer mit demselben Ergebnis. Sie musste mit Timea reden. Das ging aber nur, wenn die auch hier war. Was in Anbetracht der Dinge die nächste Zeit eher nicht passierte.
Mika schaute auf die Uhr. Erschrocken setzte sie sich gerade hin. Sie hatte fast den ganzen Tag mit Albernheiten verplempert. An Adrienns Geschichte hatte sie keine Minute gearbeitet.
Ihre Lippen kräuselten sich, erst leicht, dann immer mehr, Mika spürte das Grinsen förmlich in jedem Gesichtsmuskel. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Logo am Bildschirm. »Dann werde ich wohl Überstunden machen müssen«, erzählte sie ihm. »Blöd aber auch. Vermutlich werde ich noch hier sein, wenn Timea nach Hause kommt.«
So war es auch.
Nachdem sie noch einige Zeit vor sich hingesponnen hatte, machte sich Mika an die Arbeit.
Um halb neun wuchs in ihr die Befürchtung, dass sie Timea doch verpassen könnte. Denn der letzte Bus, mit dem sie nach Hause fahren konnte, fuhr um halb zehn.
Dreißig Minuten später hörte Mika endlich das Öffnen der Haustür.
Ihr Herz klopfte plötzlich wie ein Schmiedehammer in ihrer Brust. Sie griff sich an den Hals, merkte, dass ihre Hand dabei zitterte. Länger zu arbeiten, weil sie mit Timea reden wollte, war das Eine, ihr das zu erklären, das Andere. Dann war da noch der Grund für Timeas
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