Neptuns Tochter 2
Sie würde solch eine Nachricht niemals per SMS übermitteln. Ein Anruf, so persönlich wie nötig und distanziert wie möglich; das war die Philosophie, mit der Timea bisher immer Erfolg gehabt hatte. Und das würde sie auch in Zukunft weiter so handhaben. So persönlich wie nötig und distanziert wie möglich. Auch im Privaten.
Mit neu gewonnenem Selbstbewusstsein verabredete sich Timea mit dem Makler in zwei Tagen.
Den morgigen Tag wollte sie sich freihalten. Jetzt, da sie eine Wohnung für sich gefunden hatte, galt es, sich um den Verkauf der Villa zu kümmern.
Die Familie Grossmann hatte ihr schon öfter Angebote unterbreitet, die sie bisher allesamt abgelehnt hatte. Das letzte Angebot lag zwar ein paar Wochen zurück, aber Timea war davon überzeugt, dass es noch Gültigkeit hatte, denn Werner Grossmann hatte sich irgendwie auf diese Villa eingeschossen.
Das französische Restaurant, in dem sich Timea mit Herrn Grossmann verabredet hatte, war vom Allerfeinsten. Das Essen selbstverständlich von einem Sternekoch, ein allseits bekannter Restaurantchef kümmerte sich um das formvollendete Servieren der Speisen, und ein Sommelier offerierte die passenden Weine. Wer etwas auf sich hielt, traf sich im Français mit seinen Geschäftspartnern.
»Sie können sich vorstellen, dass ich mehr als überrascht war, von Ihnen zu hören, Frau Illay.« Herr Grossmann saß Timea gegenüber und verzehrte mit offensichtlichem Genuss seine Vorspeise.
»Ich weiß, dass ich bei unserem letzten Gespräch ein baldiges Wiedersehen ausgeschlossen habe, Herr Grossmann«, sagte Timea ruhig. Sie lächelte ihr Gegenüber an. »Aber, wie gesagt, ich habe mir Ihr Angebot noch einmal durch den Kopf gehen lassen.«
»Das hat jetzt nichts damit zu tun, dass Ihnen das Wasser bis zum Hals steht?«, fragte Herr Grossmann kauend.
Timea erschrak kurz, ignorierte es und fuhr unvermindert lächelnd fort. »Jetzt nicht mehr, Herr Grossmann.«
Der legte das Besteck zur Seite. »Das habe ich gehört.«
»Ach ja?« Timea tat es ihm gleich und lehnte sich zurück. »Was genau haben Sie gehört?«
»Dieses und jenes«, erwiderte Herr Grossmann zwinkernd.
Da kam Timea ein Verdacht. Womöglich war Werner Grossmann dieser ominöse Interessent, durch den sie den Klauen von Gernot Hampf entkommen konnte. Darum hatte der immer so argwöhnisch nach den Grossmanns gefragt? Und schließlich war Werner Grossmann bereit, sehr viel mehr zu bezahlen als den derzeitigen Marktwert.
Aber erst in einem Jahr.
Heute könnte er das Gebäude billiger bekommen. Er hätte demnach in jedem Fall die besten Karten, um an die von ihm so begehrte Immobilie zu kommen. War das also nichts anderes als ein unternehmerischer Kunstgriff?
Sie versuchte aus ihm irgendetwas herauszulesen.
Das vergnügte Blitzen in seinen Augen war eindeutig. Sie hatte recht.
Was sollte sie jetzt mit dieser Erkenntnis anfangen? Timea lächelte. Nichts. Beziehungsweise genau das, was sie geplant hatte. Sollte dieser Grossmann doch gewinnen. Hauptsache, sie entschied den Zeitpunkt seines Sieges. »Haben Sie dann auch gehört, dass ich die Villa Illay nun doch zum Verkauf anbiete?«
Herr Grossmann räusperte sich, richtete den Oberkörper auf. »Und da wir hier zusammensitzen, nehme ich an, dass Sie an mich verkaufen wollen«, stellte er fest.
»Wenn wir uns auf vernünftige Konditionen einigen können, dann ja.« Als es ausgesprochen war, fühlte Timea doch so etwas wie einen Stich. Sie war gerade dabei, einen Teil der Familiengeschichte zu verhökern.
»Ich denke, Frau Illay, dass wir das werden. Am Ende werden bestimmt alle zufrieden sein.«
Bis zum Nachtisch hatten sie sich auf den Preis, die Zahlungsmodalitäten und Zeitpunkt der Eigentumsübergabe geeinigt. Als der Espresso serviert wurde, bekräftigten sie per Handschlag die Ergebnisse ihrer Verhandlungen. In vier Tagen würden sie, gemeinsam mit Herrn Neubert, bei einem Notar alles besiegeln.
Sie verabschiedeten sich an der Tür, und eine leise Melodie vor sich hin summend machte sich Werner Grossmann auf zu seinem Wagen.
Timeas Brustkorb hob und senkte sich wie unter größter Anstrengung. Sie ließ die kleiner werdende Silhouette von Herrn Grossmann nicht aus den Augen.
Erledigt. Sie hatte ihr Haus verkauft.
Vermutlich an den Mann, der sich bei der Bank bereits das Vorkaufsrecht erschlichen hatte.
»Ich bin stolz auf dich, Timea«, sagte ihre Großmutter am nächsten Morgen beim Frühstück.
»Das kann ich von mir nicht
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