Neptuns Tochter (Gesamtausgabe)
Mika.
»Und dann?«, kam es aus der Sitzecke.
»Überleg’ ich mir, ob ich mich heute noch zur Halbwaise mache«, gab Mika zurück.
~*~*~*~
D ie Zimmertür war noch nicht richtig aufgeschlossen, da stürmte Mika bereits hinaus. Timea folgte ihr auf dem Fuß. Mit dieser Schützenhilfe betrat Mika den Partyraum und war vollkommen perplex, dass außer ihren Eltern und Timeas Großmutter nur noch Vater und Sohn Schöffen anwesend waren.
»Was soll das?«, fragte sie verwirrt. »Sollte hier nicht mein Polterabend stattfinden?«
Patrizia David lächelte leicht. »Wenn du dich ein wenig an den Vorbereitungen beteiligt hättest, dann wüsstest du, dass es keinen gibt.«
»Seid ihr jetzt alle übergeschnappt?«, polterte Mika los. Sie war nicht mehr zu bremsen. »Was bin ich hier? Der Kasper, oder was?« Sie stellte sich dicht vor ihren Vater hin. Es war ihr völlig egal, dass der sie fast um zwei Köpfe überragte. »Und du?«, zischte sie. »Wann wolltest du mir sagen, dass du deinen Teil des Vertrages nicht ganz eingehalten hast?«
»Mikaela«, warf Frank Schöffen Junior ein.
»Du bist überhaupt still«, unterbrach Mika ihn. Während sie auf ihn zuging, zog sie den Verlobungsring vom Finger, packte Franks Hand und knallte den Ring hinein. »Such dir jemand anderes für die Scheinwahrung«, erklärte sie.
»Du willst also die Hochzeit abblasen«, erfasste Adam David. Die übliche Arroganz war aus seinem Gesicht verschwunden.
»Du bist aber auch ein Blitzmerker«, lobte Mika ihren Vater. Sie wollte ihm noch einiges an den Kopf werfen, da wurde sie von Timea unterbrochen.
»Herr David, wieso haben Sie sich bei der Bank eigentlich als Kaufinteressent ausgegeben?« Timea hörte sich nicht wütend an. Eher neugierig.
Eine wirklich gute Frage. Auch Mika wartete gespannt auf die Antwort ihres Vaters.
»Das habe ich gar nicht«, erwiderte der mit einem Schulterzucken.
Timea blinzelte irritiert.
»Es tut mir leid, Frau Illay – Mikaela. Aber ich habe bei der Bank gar nichts unternommen. Der Kredit war schon bewilligt, bevor ich mit Herrn Neubert gesprochen habe.«
»Werner Grossmann«, hörte Mika Timea murmeln. »Also doch.«
»Papa. Du bist …«, stammelte Mika. »Du hast … was glaubst du …« Sie spürte die letzten Wochen wie ein Kartenhaus über sich einstürzen. »Und ich …« Sie rieb sich die Oberarme, steckte die Hände in die Hosentasche, damit sie endlich Ruhe gaben. »Ich hab’ alles falschgemacht«, sagte sie, den Blick zu Boden gerichtet. »Mal wieder«, erkannte sie. »Kein Wunder, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben willst, Timea.« Sie musste hinaus aus dem Raum, sich in ihrem Zimmer verkriechen. Den ersten Schritt hatte sie schon gemacht.
»Mika«, hielt Timeas sanfte Stimme sie zurück. »Ich liebe dich.«
In Mikas Ohren begann es zu rauschen. Timea hatte die Worte, auf die Mika so lange gewartet hatte, bestimmt nicht ausgesprochen. Das konnte nur ein Traum sein. Sie presste die Augen fest zusammen. Bloß nicht aufwachen. Damit die Wärme in der Brust nicht verschwand. Oder das Prickeln, das sich ausbreitete. Mika merkte, dass alles in ihr strahlte. Auch das wollte sie nicht verlieren.
»Ich glaube, wir lassen die beiden allein«, hörte sie aus weiter Ferne die Stimme ihrer Mutter. Dem folgten Geräusche von sich entfernenden Schritten und dem Schließen einer Tür.
»Mika?«
Es war kein Traum. Denn ein Traum konnte einem keine Hand auf die Schulter legen. Das Gefühl – es war unbeschreiblich. In Mikas Augen sammelten sich Tränen. »War das so schwer?«, brachte sie mühsam heraus.
»Ja«, hauchte Timea. Sie zog Mika an sich heran. Ganz fest. Bis Mika das Gefühl hatte, als befände sie sich in einem Schraubstock.
»Hey«, nuschelte sie in Timeas Hals. »Ich krieg’ gleich keine Luft mehr.«
Sofort fielen die Arme herunter. Betreten schaute Timea auf den Boden. »Ich bin etwas nervös, musst du wissen«, erklärte sie.
Es war nicht zu glauben, aber Timea Illay errötete leicht. Wenn Mika sie nicht schon längst lieben würde, jetzt würde sie es auf jeden Fall. »Keine Übung mit Liebeserklärungen«, wisperte Mika.
»Überhaupt keine.«
Mika drängte Timea zu einer der Bänke, brachte sie zum Hinsetzen und nahm auf deren Schoß Platz. »Gut. Lektion Nummer eins«, flüsterte sie, »nach einer Liebeserklärung ist ausgiebiges Küssen hilfreich, um …«
Den Rest vergaß Mika. Sie spürte nur noch Timeas weiche Lippen auf ihren. Das sanfte Zupfen, Knabbern.
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