Neptuns Tochter (Gesamtausgabe)
andauernd«, murmelte Mika, während sie hinter dem Lenkrad Platz nahm. Sie drehte sich nach dem Gurt, brauchte unverhältnismäßig lange, um ihn über ihren Körper zu ziehen und festzumachen. Wenige Augenblicke verharrte sie noch in dieser verdrehten Position. Bis ein Ruck durch ihren Körper ging, und sie los fuhr.
»Wo kommst du eigentlich her?«, fragte Timea.
Anstatt zu antworten, griff Mika nach der Karte in der Mittelkonsole und gab sie Timea.
»Du willst mein Auto kaufen?«, fragte Timea mit einem schiefen Grinsen. »Lass mich raten. Das hier ist die Probefahrt.«
Mika verzog das Gesicht, griff nach der Karte und drehte sie um.
Ich sitze drüben auf der Bank. Also links von dir, wenn du auf die Straße schaust , stand da in ganz kleinen, verschnörkelten Buchstaben. Komm, bitteee!
Timea richtete ihr Augenmerk von der Karte auf Mika, die sich ihrerseits auf den Verkehr konzentrierte. Das überraschte Timea. Eigentlich hätte sie Mika als temperamentvollere Autofahrerin eingeschätzt. Nicht so brav. Wie in der Fahrschule gelernt – Augen geradeaus, immer wieder mal in den Rückspiegel, aber bloß nicht auf die Beifahrerin. Einzig das Stirnrunzeln war nicht Teil der Ausbildung.
»Als du einfach so eingestiegen bist, musste ich dich aufhalten«, erklärte Mika dann doch ihr jähes Auftauchen.
»So?«, fragte Timea, während sie sich zu Mika drehte. Vor ihr erhob sich das Bild, wie Mikaela ihrem Vater gefolgt war. »Musstest du.«
»Ich kann nichts für deinen schlimmen Tag, Timea«, erwiderte die unbeeindruckt. »Du kannst dich also normal mit mir unterhalten.«
»Ich wüsste nicht, dass ich mich mit dir zu etwas in der Art verabredet hätte.« Timea wollte sich nicht entspannen. Da saß sie. In ihrem Mittelklassefahrzeug, auf engem Raum mit Mika, gefrustet von dem Tag und konnte nur daran denken, wie gut Mika roch. Wie sehr sie sich nach ihrer Nähe sehnte. Wie sehr sie sich selbst dafür verachtete.
»Darauf kann ich im Augenblick keine Rücksicht nehmen«, meinte Mika. Über die Schulter vergewisserte sie sich, dass von hinten kein Fahrzeug kam, und bog in die Straße zur Villa Illay ein.
»Ab wann darf ich dann wieder mit deiner Rücksichtnahme rechnen?«, fragte Timea mit bewusstem Schmelz in der Stimme. Damit kochte sie jede weich.
Mika behielt weiterhin stur die Straße im Auge, als wäre sie gegen Timea immun. Eine Antwort gab sie nicht.
Also schwieg Timea ebenfalls. Das war wahrscheinlich am besten so, denn allein Mikas Gegenwart drang immer tiefer in ihr Bewusstsein ein. Wie sollte sie da auch noch diese unvergleichliche Mischung aus rauen und weichen Tönen ertragen, aus denen Mikas Stimme bestand.
Timea musste hier raus. Und zwar so schnell wie möglich. Weil sie spürte, dass sie kurz davor stand, etwas Unüberlegtes zu tun.
Wie auf Befehl stoppte das Auto.
Vor Timea ragte das Haus in die Höhe, das ihr, ihrer Großmutter und Petra Lorentz noch für sechs Wochen als Unterkunft dienen würde. Timea dachte an den Kaufvertrag, und dieser Gedanke wuchs in ihrem Magen wie ein Geschwür.
»War dir das jetzt lange genug?«
Auf der Stelle befand sich Timea wieder im Inneren des Wagens, direkt neben Mika, sah sich leuchtenden Augen gegenüber. Obendrein sollte Timea eine Frage beantworten, die sie nicht verstand. Entsprechend ratlos schaute sie Mika an.
»Rücksichtnahme … lange genug … du erinnerst dich?«, gab Mika Hinweise.
»Ach das«, meinte Timea. »Das wird sich zeigen.« Sie legte den Kopf schief. »Jetzt mal ehrlich. Warum warst du auf diesem Parkplatz, Mika? Spionierst du mir nach?«
Mika musste sich offenbar beherrschen. Ob nicht zu weinen oder zu lachen – das war nicht ganz ersichtlich. Es folgte ein kaum sichtbarer Kampf, dann hatte sie sich entschieden: zu lachen. »Keine Sorge, Agentin Grießgram. Ich habe dem ungarischen Geheimdienst bereits mitgeteilt, dass er nichts von dir zu befürchten hat.«
»Das beruhigt mich ungemein, erklärt aber nicht deine Anwesenheit«, gab Timea zurück. Um ihren Mund begann es verdächtig zu zucken. Mika war und blieb einfach unmöglich.
»Zufall, Timea. Nichts als Zufall«, sagte die auch gleich mit zum Schwur erhobenen Fingern. »Ich war ganz zufällig in dieser Straße unterwegs. Als ich gesehen habe, wie du in diesem grässlichen Bunker verschwunden bist, habe ich mir eine Zeitung, ein paar Rosinenbrötchen und einen Kaffee besorgt und damit auf besagter Bank auf dich gewartet.«
»Was, wenn ich erst mitten in der
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