Neptuns Tochter (Gesamtausgabe)
mündlich. Deine Mika.
PS.: Falls Du mal wieder jemanden brauchst, so zum Frustabbau – meine Telefonnummer hast Du ja. Und hey – ich werde mit jedem Mal besser.
PPS: Meine Ankündigung auf der Speisekarte bleibt natürlich bestehen.
PPPS: Du magst doch Pflaumenwein? Ich liebe ihn. Der zergeht nämlich so schön auf der Zunge.
PPPPS: Mir gehen langsam die Ps aus. Außerdem kommt gleich das Taxi. Also sollte ich Schluss machen – mit dem Brief. Nicht mit … Ach, vergiss es. Wir sehen uns, Timea.
PPPPPS: Einen hab ich doch noch: Für den Fall, dass Du die Andeutung oben nicht verstanden hast – mit Pflaumenwein meine ich nicht den aus der Flasche. Alles klar?
»Alles klar«, krächzte Timea – auch nach dem dritten Mal lesen. Zum Glück hinderte sie ein leises Klopfen daran, das ein weiteres Mal zu tun.
»Ihre Großmutter fragt, ob Sie ihr noch ein paar Minuten Gesellschaft leisten würden«, wollte Petra Lorentz wissen.
»Ich komme gleich«, sagte Timea, während sie das Mienenspiel ihrer Angestellten betrachtete. »Petra?«
»Ja?«
»Kann es sein, dass Sie hier irgendetwas amüsiert?«
Petra trat an den Schreibtisch heran. »Ich kenne Sie jetzt seit Ihrem sechsten Lebensjahr«, begann sie schmunzelnd. »Immer, wenn Sie nervös sind oder ein schlechtes Gewissen haben, sind Sie einfach nicht satt zu kriegen. Und Ihr Frühstück, der Rest der Schokolade, der vor Ihnen liegt, lassen nur einen Schluss zu …«
»Ich habe auch Hunger, wenn ich mich viel bewegt habe«, erwähnte Timea. Am liebsten hätte sie sich auf die Zunge gebissen. Das Gespräch entwickelte sich definitiv in die falsche Richtung.
»Genau«, stimmte Petra zu, »dann trifft das natürlich auch zu.« Ihr Gesicht war wieder verschlossen wie das eines Steuerprüfers. Dennoch war sich Timea sicher, dass sie sich verraten hatte. Petra Lorentz wusste Bescheid.
Timea sah zu, wie die Bürotür langsam geschlossen wurde. Eigentlich wollte sie sich davor drücken, zu ihrer Großmutter zu gehen. Aber ewig konnte sie der Herausforderung wohl nicht entgehen. Also raffte sie sich auf und bemühte sich um eine selbstbewusste Körperhaltung. Auch wenn ihre Großmutter es nicht sehen konnte, Timea fühlte sich dabei besser.
»Schön, dass du dir ein wenig Zeit für deine alte Großmutter nimmst«, wurde Timea huldvoll begrüßt.
Die blieb mitten im Raum stehen. Ihre Stirn müsste fast mehr Falten zeigen als die ihrer Großmutter. »Was ist los, Nagymama? Du wirkst irgendwie enttäuscht.«
»Ich finde es nur schade, dass Mika nicht mit uns frühstückt.«
Behäbig ging Timea zu ihrer Großmutter und ließ sich in den nächstbesten Sessel fallen. Sie brauchte Zeit. Zeit, um ihren Mund zu schließen und den Pulsschlag auf unter hundert zu drosseln. »Wie kommst du auf die Idee …«
»Bemüh dich nicht, Timea«, unterbrach die Gräfin so gar nicht aristokratisch. »Ich habe einen leichten Schlaf, wie du weißt. Und gute Ohren, wie du ebenfalls weißt. Dazu kommt, dass du gestern Abend in deinem Zimmer verschwunden bist, ohne mich zu begrüßen.«
Ihre Großmutter hatte alles gehört. Timea gab es auf, nach Erklärungen zu suchen. Oh Gott , fiel es ihr siedend heiß ein. Hoffentlich war sie nicht zu laut gewesen, als Mika sie fast bis zur Besinnungslosigkeit gestreichelt hatte.
»Falls du dich jetzt verzweifelt fragst, was beziehungsweise wie viel ich mitbekommen habe«, beantwortete Timeas Großmutter die nicht gestellte Frage, »da kann ich dich beruhigen. Ich habe nur gehört, dass dich irgendjemand nach Hause gebracht hat. Dass es Mika war, weiß ich nur, weil sie sich über das Telefon im Kaminzimmer ein Taxi bestellt hat. Das war’s dann schon.«
Mit einem erleichterten Räuspern nahm Timea die Worte ihrer Großmutter zur Kenntnis. Sie wollte das Thema nicht weiter vertiefen, daher schwieg sie eisern.
Das schien ihre Großmutter jedoch nicht zu stören. »Mika hat dir noch einen Brief geschrieben?«, fragte sie.
»Petra redet zu viel, Großmutter.«
Adrienn Illay fuhr sich durch das perfekt frisierte Haar. Eine Geste, die sie nur äußerst selten machte. Nur in Momenten, wenn Emotionen sie zu überwältigen drohten. »Petra macht sich Sorgen um dich, Kleines. Das tut sie schon, seit sie für uns arbeitet«, erklärte sie das Verhalten ihrer Angestellten.
»Ich weiß, Nagyi. Ich nehm’ ihr das auch nicht übel. Ehrlich.«
»Dann ist gut. Das hätte sie nämlich nicht verdient«, gab die alte Dame zu bedenken. »Schließlich
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