Neptuns Tochter (Gesamtausgabe)
ließ sich auf den Rücken fallen. Wow! Das war eine Neuigkeit.
Aber – änderte sich dadurch etwas?
In naher Zukunft würde Mika eine verheiratete Frau sein. Zwar nur für einen – wie sie es nannte – guten Zweck, aber immerhin. Eigentlich müsste Timea jetzt und hier das Ganze beenden, um auch in Zukunft noch in den Spiegel schauen zu können.
Doch die Erinnerung an die Nächte mit Mika, an die gemeinsam verbrachten Stunden, an die Leidenschaft, die Mika in ihr weckte, drängte ihr schlechtes Gewissen in den Hintergrund.
»Weißt du, dass du mir sehr viel bedeutest?«, begann Timea leise. »Die Zeit mit dir …«, sie deutete auf sie beide, »das hier … ich will das nicht verlieren.«
Mika zog das Laken noch fester um ihren Körper. Ihr Blick war auf das Fußende des Bettes gerichtet. »Was willst du damit sagen?«, fragte sie tonlos.
In Timea reifte eine Idee, die ihr Innerstes wie ein Lichtstrahl erhellte. Den Gedanken an Frank Schöffen verdrängte sie völlig. »Wir können uns doch weiter treffen. Auch wenn du verheiratet bist.« Die Vorstellung, sich Zeiten stehlen zu können, Nächte wie diese … Mika würde bei ihr sein.
»Was empfindest du für mich, Timea?« Mikas Stimme war nur noch ein Flüstern.
»Sehr viel, das habe ich doch schon gesagt.« Für Timea war alles klar. »Du bist die erste Frau, bei der ich mich wirklich fallenlassen kann. Du bringst so viel Spaß in mein Leben – in jeder Beziehung.«
»Und darüber hinaus«, hakte Mika nach.
Timea wusste, was Mika hören wollte. Aber … Liebe? Nein.
Liebe war nur ein Konstrukt. Von Romantikern erfunden. In Enttäuschung und Leid endend.
Also nichts für klar denkende Menschen. Und vor allem nichts für Timea Illay.
Darum … nein. Es war keine Liebe.
Auch wenn ihre Großmutter, Petra und auch Mika es anders sehen wollten.
Timea rieb sich die Oberarme.
Bis zu einem gewissen Grad hatten sie doch recht. Es war auf alle Fälle mehr, als Timea seit Langem empfunden hatte. Vielleicht sogar mehr, als sie jemals empfunden hatte. Sie redete unheimlich gern mit Mika. Vermisste sie, wenn sie sich länger nicht sahen. Vermisste sogar ihre Verrücktheiten. Ihr Lachen. Ihre Stimme. Ihre Berührungen …
Wenn Timea ihren Gefühlen unbedingt einen Namen geben musste, dann Leidenschaft .
»Lass gut sein«, gab Mika auf. »Du wirst es schon noch herausfinden.« Sie seufzte, schaute auf und lächelte Timea an. Wie auf dem Bild in der Zeitung. Ohne Grübchen. Ohne Glanz in den Augen. »Ich habe Zeit und Geduld.« Plötzlich blinzelte sie anzüglich. »Was den Spaß betrifft – da kann ich dir nur zustimmen. Und ich behaupte, dass wir noch sehr viel mehr Spaß haben werden.« Sie zog Timea auf sich, umschlang sie mit Armen und Beinen. »In jeder Beziehung.«
M it einem dumpfen Plopp fielen die Schuhe zu Boden. Wobei der Aufprall an sich nicht das eigentlich Aufregende war. Turnschuhe machten in der Regel keine lauten Geräusche. Im Gegensatz zu Mikas »Ah!«, als der Raum um sie plötzlich in ein gleißendes Licht getaucht wurde und ihr besagte Turnschuhe in hohem Bogen aus der Hand fielen.
»Guten Abend, Mikaela«, klang es sonor vom Lichtschalter her. »Oder sollte ich sagen: Guten Morgen?«
»Bist du von allen guten Geistern verlassen?«, presste Mika keuchend hervor. Am liebsten hätte sie ihren Vater erwürgt.
Vor allem, als der ohne mit der Wimper zu zucken fortfuhr: »Darf man fragen, wo du um diese Zeit herkommst?«
»Papa«, schnaubte Mika. Sie löste sich aus ihrer Erstarrung, bückte sich nach den Schuhen und ging auf ihren Erzeuger zu. »Ich bin sechsundzwanzig und kein Teenager, der sich nachts ins Haus schleicht.«
»Und warum machst du das dann? Dich reinschleichen?«, fragte Adam David.
»Ich wollte niemanden wecken«, nuschelte Mika. Sie blieb vor ihrem Vater stehen. Beinah ein wenig schuldbewusst. Zumindest aber fühlte sie sich ertappt.
Trotz regte sich in ihr. Stand sie hier etwa unter Aufsicht? Oder war sie entmündigt? Nein. Noch war sie in der Lage, ihre Entscheidungen selbst zu treffen. Und dazu gehörte, sich nachts ins Haus schleichen zu dürfen. Wann immer es ihr passte. Basta.
Adam David schmunzelte. »Diesen Blick kenne ich.« Er packte seine Tochter an den Schultern, drehte sie zur Treppe und gab ihr einen leichten Schubs. »Nun, Mikaela, wenn du mich so anschaust, rede ich besser nicht mit dir«, sagte er ruhig. »Gute Nacht.« Und weg war er.
»Blödmann«, hätte Mika ihm am liebsten
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