Neptuns Tochter (Gesamtausgabe)
Üblicherweise brachte ihren Vater nichts aus der Ruhe. Außer seiner Frau. Warum sollte Mika ihm ersparen, von seiner Angetrauten auseinandergenommen zu werden? In seine Einzelteile. Wodurch sich die klitzekleine Chance auftat, dass er danach zu einem anderen Menschen zusammengebaut würde.
Mika kam sich durchtrieben vor, als sie sich zu ihrer Mutter beugte und laut aufseufzte. »Es tut mir so leid, Mama. Aber ich kann dazu nichts sagen.«
Patrizia David rieb sich die Oberarme. Als würde sie frieren. »Ich hab’ bei dir versagt, Mika«, flüsterte sie. »Sonst würdest du mir vertrauen.«
»Hey.« Mika rückte näher zu ihrer Mutter. »Das hat doch nichts damit zu tun.«
»Womit? Dass ich nie wirklich für dich da gewesen bin?«, meinte die.
»Aber so schlimm war das doch nicht, Mama«, rief Mika entsetzt. Wie waren sie bloß an dieses Thema geraten?
»Doch, doch«, widersprach die Mutter sofort. »Ich weiß, dass ich dich fast immer im Stich gelassen habe, wenn du mit deinem Vater aneinandergeraten bist. Kein Wunder also, dass du dich von uns zurückgezogen hast.«
»Das hab’ ich hauptsächlich gemacht, weil ich mit dem ganzen Schickimicki nichts anfangen kann. Hier eine Party. Dort repräsentieren. Und alles immer schön unter seinesgleichen«, begründete Mika ihr Fortgehen.
»Ich weiß«, sagte Patrizia David sanft. »Du bist da immer schon anders gewesen.«
»Eben«, stimmte Mika rasch zu. »Manchmal hab’ ich mich gefragt, ob ich bei der Geburt vertauscht worden bin. Bis ich genauer in den Spiegel geschaut habe.« Mika blickte nach links und nach rechts. »Darum bin ich irgendwann zu der Überzeugung gekommen, dass ich einen anderen Vater haben muss«, flüsterte sie.
Entrüstet fuhr Patrizia David auf. »Mikaela«, wies sie ihre Tochter zurecht. »Untersteh dich, so etwas zu behaupten. Oder auch nur zu denken.«
»Das war doch nur ein Scherz«, murmelte Mika. Vorsichtshalber winkte sie der Bedienung, um noch einen Kaffee zu bestellen.
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» O h Gott!«, rief Mika, als ihre Eltern die Treppe herunter kamen. »Ihr habt die Queen eingeladen und mir nichts gesagt.«
»Wenn dem so wäre, würdest du dich noch umziehen?«, fragte Adam David.
Mika beobachtete ihn genau. Hatte ihre Mutter schon mit ihm gesprochen? Eher nein. Das spöttische Glitzern in seinen Augen war ein Indiz dafür, dass er verschont worden war.
Schade aber auch. Der Abend hätte so spannend werden können. Stattdessen war alles wie gehabt. Es kamen Gäste, die hofiert werden mussten. Zu allem Überfluss ahnte Mika, welche Themen vordergründig besprochen werden würden. Beziehungsweise welches Thema.
Und wenn schon. Heute hatte sie bereits eine Einkaufstour mit ihrer Mutter überstanden. Da sollte es doch ein Leichtes sein, die perfekte Braut zu spielen. Zum Warmwerden hatte sie sogar dieses elegante Ensemble angezogen, das ihr die Mutter aufgedrängt hatte. Mika hatte es als ihren Kompromiss betrachtet. Anstatt eines Brautkleides. Mama weiß es nur noch nicht.
»Hör nicht auf ihn«, sagte Mikas Mutter. »Du siehst großartig aus.«
»Regt euch nicht auf«, forderte Adam David. »Das war nur ein Scherz. Du siehst natürlich sehr gut aus, Mika.« Er klopfte seiner Tochter auf die Schulter. »Frank wird begeistert sein.«
Auf dem Weg ins Esszimmer schaute Mika immer wieder verstohlen an sich hinunter. Oben herum müsste sie noch weniger haben, als sie ohnehin schon hatte. Außerdem fehlten noch ein Dreitagebart und etwas noch Entscheidenderes, damit sie Frank Schöffen begeistern könnte. Entsprechend gelassen sah sie dem Abend entgegen.
Leider schwand die Gelassenheit mit fortschreitender Stunde. Immer, wenn Mika sich in ihre Gedanken zurückziehen wollte, stellte irgendjemand eine Frage. Meistens Franks Vater. Ein unangenehmer Zeitgenosse, der offensichtlich noch von der Kaiserzeit übriggeblieben war.
»Haben Sie sich schon über die Einrichtung ihrer neuen Wohnung Gedanken gemacht?«, wollte er zum Beispiel wissen.
»Nein«, antwortete Mika einsilbig.
»Wir haben uns noch auf keine Wohnung geeinigt, Vater«, begründete Frank Schöffen Junior.
»Aber ihr habt euch doch schon einige Objekte angesehen«, beschwerte sich der alte Schöffen. »Hat Ihnen nichts davon zugesagt, Mikaela?«
»Nicht wirklich«, erwiderte sie. Wozu zugeben, dass Mika bis dato nur deshalb Wohnungen besichtigt hatte, weil sie mehr oder weniger dazu gezwungen worden war?
»Vielleicht können wir uns die nächsten Tage einmal umschauen,
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