Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nerd Attack

Nerd Attack

Titel: Nerd Attack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Stoecker
Vom Netzwerk:
Wide Web erfand.
    Kommunikationsmittel der Szene waren überdies die Cracker-Vorspänne, sogenannte Intros, Cracktros, später Demos, die jeder stolze Cracker nach getaner Arbeit vor das nun in der Regel frei kopierbare Spiel platzierte. Aus unauffälligen Botschaften wie »(C.) BY OLEANDER« wurden nach und nach immer aufwändigere Vorspänne, die auch die programmiertechnischen Fertigkeiten des jeweiligen Urhebers herausstellen sollten. Sie bestanden anfangs nur aus einem selbst gewählten Logo und einem Scrolltext auf dem Bildschirm, der ablief, bevor das eigentliche Spiel startete. Darin kam der Name der eigenen Gruppe vor, die Spitznamen der übrigen Mitglieder und Grußbotschaften an befreundete Cracker-Gruppen. Später wurden auch weniger freundliche Nachrichten auf diesem Weg verbreitet: Zwischen einigen Gruppen gab es Fehden, manchmal regelrechte Kriege. Gelegentlich soll es bei Cracker-Treffen in Deutschland und den Niederlanden zu einem blauen Auge gekommen sein. In den USA kappten verfeindete Gruppen einander gegenseitig die Telefonleitungen oder bestellten teure Waren an den Wohnort der gegnerischen Cracker – per Nachnahme. Die Mitgliedschaft in der Szene hatte eben immer auch mit der Ego-Pflege männlicher Teenager zu tun.
    Die Intros bekam man, während ein Spiel von der Diskette geladen wurde, unweigerlich und für längere Zeit zu sehen. Namen wie »Dynamic Duo« oder »ABC Crackings« wurden zu Miniaturmarken mit eigener Optik. Die extrem aktive Gruppe »Eagle Soft Incorporated« (ESI) aus den USA etwa versah gecrackte Spiele eine Weile mit einem bildfüllenden Logo, dem Kopf eines Weißkopfseeadlers, der eine 5¼-Zoll-Diskette im Schnabel hält. Die meisten ehemaligen Besitzer eines C64 oder Commodore Amiga auch in Deutschland kennen diesen Adlerkopf. Eagle Softs Chef-Cracker, der unter seinem tatsächlichen Vornamen Mitch bekannt war, knackte über 300 Spiele für den populärsten aller Heimcomputer. Als er 2006 gefragt wurde, was ihn denn dazu gebracht habe, antwortete Mitch, nicht ohne einen Anflug von Arroganz: »Weil [die Spiele] eben da waren. Ich war außerdem einfach ehrgeizig, ich schlug gerne die Programmierer, die glaubten, sie könnten es besser.«
    In vielen Gruppen gab es schon bald eine klare Arbeitsteilung: Die Kopierschutzknacker hier, die Demomacher dort. Ein »qualitativ hochwertiger Crack« hatte neben einem hübschen Demo und einer fehlerfreien Kopie auch noch andere Vorzüge zu bieten, »Trainer« zum Beispiel: Sie boten dem Spieler die Möglichkeit, seine Spielfigur unverwundbar zu machen oder sich unbegrenzt Munition zu verschaffen. Heute werden solche »Cheats« manchmal von den Spieleherstellern selbst eingebaut. Erfunden wurden sie von den Crackern, die damit dafür sorgten, dass ihre Kopien tatsächlich mehr boten als das Original.
    Im Lauf der Zeit kamen weitere Rollen hinzu: »Supplier« waren für das Heranschaffen neuer Originale zuständig, »Swapper« für das Tauschen von geknackter Software per Post und später per Modem. »Fixer« passten Programme an die TV-Standards dies- und jenseits des Atlantiks, PAL und NTSC, an, verrichteten also echte Profi-Arbeit. Unentgeltlich, versteht sich. Manche Spitzenteams hielten sich auch »Kopiersklaven«, die das ermüdende Diskettentauschen zur Vervielfältigung geknackter Spiele übernahmen. Viele waren zu allem bereit, um in den Genuss eines unmittelbaren Zugangs zur Szene und ihren Schätzen zu kommen.
    Weil das Verschicken all der vielen Umschläge voller Disketten schnell ins Geld ging, ersannen die Swapper Wege, sich das Porto zu sparen. Eine typische Methode beschreibt der Australier »Jazzcat«: »Man bedeckt die Briefmarken mit einer dünnen Schicht Kleber. Man wartet, bis der trocken ist, klebt sie auf den Umschlag und wirft ihn ein. Der Empfänger schickt die Briefmarken zurück zum Absender.« Der Leim und damit auch der aufgedruckte Poststempel ließen sich leicht entfernen, die Briefmarken anschließend wiederverwenden. Es gab auch noch eine Reihe anderer Tricks: Statt Kleber nutzten manche Swapper bestimmte Sorten Haarspray, andere bastelten sich selbst Briefmarken mit hohem Porto, indem sie die Nullen aus niederwertigen Automatenmarken ausschnitten und auf andere aufklebten. Swapper gingen ein gewisses Risiko ein, denn Briefmarkenbetrug ist selbstverständlich strafbar, und in vielen Postämtern begann man schnell auf die »lackierten« oder gefälschten Marken aufmerksam zu werden. Mancher deutsche Swapper

Weitere Kostenlose Bücher