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Nerd Attack

Nerd Attack

Titel: Nerd Attack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Stoecker
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älteren Phreaker-Szene ein Glücksfall: Auf der Grundlage der ergaunerten Telefonverbindungen ermöglichten die Teenager dies- und jenseits des Atlantiks den Austausch von – für damalige Verhältnisse – gewaltigen Datenmengen. Jahre vor Erfindung des World Wide Web, mehr als zehn Jahre vor Napster und Co. war der Wunsch nach einem solchen Werkzeug bereits so stark, dass sich die Computerkids ein eigenes Internet bastelten. In der Regel völlig unbemerkt von den Erwachsenen, deren Häuser sie bewohnten und deren Telefone sie benutzten.
    Gemeinsam mit Phreaks und Democodern hatten die Cracker eine komplexe, internationale Subkultur von immenser Kreativität, (krimineller) Energie und erstaunlicher Effizienz geschaffen, die sich aufwändiger Technik bediente. Auf die Tabula rasa der ersten Heimcomputer, den tiefblauen Grund mit hell blinkendem Cursor, bauten sie dezentrale Organisationsstrukturen, ein internationales Datennetz und eigenständige Kunstwerke auf. Die Ästhetik der Democoder wiederum beeinflusste die Popkultur: Die Lichttunnel und sich ständig verändernden geometrischen Objekte und fließenden Formen vieler Techno-Videoclips der Neunziger sind direkte Zitate aus den besten Demos dieser Zeit.
    Die technikaffine Speerspitze der Generation C64 nahm viel von dem vorweg, was das Internet, vor allem das World Wide Web, im darauffolgenden Jahrzehnt einer viel größeren Zahl von Menschen, heute nahezu jedem in der westlichen Welt, zugänglich machen sollte. Auch wenn meine Freunde und ich das damals gar nicht begriffen: Wir ernteten die Früchte, die diese Subkultur hervorbrachte, trugen gleichzeitig zum Fortbestehen dieser Kultur bei und verinnerlichten unbewusst manche ihrer Ideen und Werte.
    Längst waren jedoch weitaus größere, beunruhigendere Dinge im Gange im schnell wachsenden digitalen Universum. Während meine Freunde und ich »Jumpman Junior«, »Elite« oder »Maniac Mansion« spielten, während die Cracker, die Kopierer und die Computerspieler eine eigene kleine Netzwelt schufen, machten andere schon viel weitere Reisen durch die frühen Datennetze. Sie interessierten sich vor allem für die Rechner von Behörden, Forschungseinrichtungen, Unternehmen und dem Militär. Um Zutritt zu diesen geheimnisvollen Reichen zu erlangen, die noch fast nur aus Buchstaben bestanden, brauchte man etwas Ausdauer und ein paar zusätzliche Kenntnisse. Viele der ersten Hacker aber begriffen gerade das als eine absolut unwiderstehliche Versuchung. So wie die Cracker es als Sport betrachteten, Kopierschutzmechanismen zu überwinden, trachteten die Hacker schon in den Achtzigern danach, die Sicherheitsmechanismen von Rechenanlagen in aller Welt zu umgehen. Dabei waren gerade deutsche Hacker erschreckend erfolgreich.
    Meine Freunde und ich übten uns derweil in harmlosem Eskapismus. Wir lasen Comics, Science-Fiction und Fantasy, spielten Rollen- und natürlich Computerspiele. Ohne zu ahnen, dass all diese Quellen auch der internationalen Subkultur als Inspiration dienten, die schon bald die mächtigsten Geheimdienste der westlichen Welt gegen sich aufbringen würde.

Kapitel 3
     

Flucht ins All – Spielwelten und Nerd-Kultur
     
    Die »Pac-Man«-Automaten, die ab 1980 die Welt im Sturm eroberten, hatten eine Macke, die jedoch kaum ein Spieler je bemerkte: Beim Erreichen des 255. Levels erzeugte ein Programmierfehler einen mit sinnlosen Grafikschnipseln bedeckten Bildschirm, der das Spiel unspielbar machte und so verhinderte, dass man einfach wieder bei Level eins anfing wie eigentlich vorgesehen. Wer es ohne Fehler bis zu diesem Punkt schaffte, erreichte dabei eine Gesamtpunktzahl von mehr als 3,3 Millionen. Der erste Spieler, dem dies gelang, war ein gewisser Billy Mitchell aus Florida, »der beste Arcade-Videospieler aller Zeiten«, schon in den Achtzigern eine Legende. Er brauchte für seinen Rekord sechs Stunden – oder, je nach Betrachtungsweise, 19 Jahre. Mitchell erreichte den perfekten Pac-Man-Highscore erst 1999.
     
    Die Mitte der achtziger Jahre war für Freunde des Heimcomputers eine paradiesische Zeit. Zwar hatte die Verbreitung der Apples, Commodores, Atari-Computer und all der Raubkopien in den Kinderzimmern der westlichen Welt die Videospielbranche bereits an den Rand des Ruins getrieben. Unternehmen gingen reihenweise Pleite, und der Legende nach wurden irgendwo im Wüstenboden Nevadas Zehntausende Spiel-Cartridges mit dem offiziellen Spiel zum Film »E.T. — Der Außerirdische« vergraben,

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