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Nerd Attack

Nerd Attack

Titel: Nerd Attack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Stoecker
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Übel und würde hoffentlich bald wieder verschwinden. Wir gründeten eine Band und spielten Songs von U2, den Beatles, AC/DC und obskuren amerikanischen Blues-Sängern nach. Keyboards waren nur erlaubt, wenn sie in ein ordentliches Rock-Ensemble aus Gitarren, Bass und Schlagzeug eingebunden waren und sich halbwegs zurückhielten. Nur für Wally Bebens »Tetris«-Soundtrack machten wir eine Ausnahme.
    Je schneller das Spieltempo wurde, desto erregender klang die Begleitmusik. Bebens 26-Minuten-Stück illustriert das dominierende Prinzip früher Videospiele perfekt: immer hektischer, immer schwieriger. Mindestens so wichtig wie das Erreichen einer hohen Punktzahl war es für uns daher auch, die hinteren Abschnitte des Soundtracks zu hören.
    Wie so viele frühe Computerspiele kennt »Tetris« kein echtes Ende. Das ist eine Tradition, die von den Entwicklern der ersten Arcade-Automaten begründet wurde. Egal ob »Space Invaders« oder »Pac-Man«, alle funktionieren nach dem Sisyphus-Prinzip: Gewinnen kann man nie, nur möglichst lange nicht verlieren. Jede Runde endet früher oder später mit der Botschaft »Game over«, der digitale Felsbrocken rollt wieder zum Fuß des Berges und man muss den Aufstieg von neuem beginnen. Mit pochendem Herzen, wenn man weit genug gekommen ist, denn irgendwann verwandelt die mentale Anspannung sich in physische Verkrampfung. Nach zwei Stunden »Tetris« hatte man einen steifen Nacken.
    Könnerschaft zeigte sich darin, wie lange man das Unvermeidliche hinauszögern und wie viele Punkte man bis dahin anhäufen konnte. Dass das eine böse Analogie zum Leben im westlichen Kapitalismus ist, fiel uns nie auf.
    Abspeichern konnte man einen erreichten Zustand nicht, jede Sitzung begann von vorne. Wer ins Bett geschickt wurde, ließ den Rechner über Nacht laufen, um am nächsten Tag nach der Schule an der gleichen Stelle weiterspielen zu können. Es spricht für die Frustrationstoleranz der Spieler der Siebziger und Achtziger, dass das neue Medium dennoch so erfolgreich wurde. Den Computerspielconnaisseuren von heute kann man mit dem Sisyphus-Prinzip nicht mehr kommen. Blockbuster-Spiele müssen heute einen Anfang, eine Mitte und ein Ende haben, ein konkretes Ziel, das man erreichen kann, und in der Regel auch eine passende Geschichte, egal, ob man in die Rolle eines Rennfahrers, eines Elitesoldaten oder eines Profiskaters schlüpft. Daran ist nichts Schlechtes: Nur so konnten sich Spiele zu einem tatsächlich erzählenden Medium mausern. Endlosigkeit liefert anschließend der Multiplayer-Modus: Wer die Geschichte durchgespielt hat, kann sich in Räuber-und-Gendarm-Spielen auf irgendeinem internationalen Schlachtfeld, in Online-Autorennen oder Skateboard-Wettbewerben gegen andere Spieler irgendwo auf dem Globus austoben. Der Wettkampf, daran hat sich nichts geändert, steht immer noch im Vordergrund. Allerdings ist kooperatives Spielen heute dabei selbstverständlich. In Ego-Shootern schließen sich Spieler online zu Teams zusammen, der eine hält dem anderen den Rücken frei.
    »Tetris« ist noch der elementare Kampf Mensch gegen Maschine, nicht zu gewinnen und theoretisch unendlich. Die Klötzchen fallen immer irgendwann zu schnell, um sie in die richtige Lage zu rotieren und lückenlose Mauern zu bauen. Trotzdem hat »Tetris« in seinen verschiedenen Inkarnationen, für Heimcomputer, PC, Automaten, Konsole und Gameboy vermutlich mehr Lebenszeit vernichtet als jedes andere Computerspiel, »Pac-Man« eingeschlossen. Bis heute ist es auf jeder neuen mobilen Spieleplattform eines der meistverkauften Spiele. Sogar auf Apples iPhone.
    Meiner kleinen Schwester und mir reichte das Spiel allein irgendwann nicht mehr. Also erfanden wir »Mega-Tetris«, »Tetris« plus Quiz: Einer spielte, und der andere saß daneben auf dem grau karierten Schlafsofa und las »Trivial Pursuit«-Fragen vor. Der Spieler musste so schnell wie möglich antworten. Das Ganze war spektakulär genug, dass sich sogar unsere ältere Schwester gelegentlich daneben setzte, um zuzusehen. Jahre später wurde in einer Sat1-Show mit Jörg Dräger, dem letzten großen Schnauzbart der deutschen Fernsehunterhaltung, eine vergleichbare Aufgabe eingeführt: Geschicklichkeitscomputerspiel plus Allgemeinwissensfragen. Wir fühlten uns betrogen. Jemand hatte unsere Idee geklaut.

Ein Universum aus weißen Linien
     
    Das zweite wirklich prägende Spiel dieser Zeit und das vielleicht beste, das es für den C64 je gab, war »Elite«. Es brach

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