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Nerd Attack

Nerd Attack

Titel: Nerd Attack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Stoecker
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auch keine Al-Qaida-Websites und keine Weblogs, in denen Essstörungen als gut und richtig gefeiert werden. Kurz: Ohne den »Hacker Crackdown« von 1990/91, ohne Barlow, Kapor und die EFF sähe die Welt im Jahr 2011 anders aus.
    Für die Angehörigen der Generation C64 war das Versprechen des Internets unmittelbar verständlich: Man hatte wieder eine Tabula rasa vor sich, eine frei formbare Struktur, die wenige Vorgaben machte, dafür aber schier unbegrenzte Möglichkeiten bot. Viele der Älteren dagegen stellten sich das Internet noch lange Zeit als eine Art verbessertes Fernsehen vor.
    Während in den USA diese seltsame Allianz aus Tech-Unternehmern, Althippies, Wissenschaftlern und Politikern die Grundlagen für die digitale Gegenwart legte, übte man sich in Deutschland weiterhin und noch lange Zeit in wohlwollender Ignoranz. Bundeskanzler Helmut Kohl antwortete einem RTL-Reporter im März 1994 auf eine Frage nach der Bedeutung der »Datenautobahn«, das alles sei ja noch »heftig umstritten«. Zwar laufe »die Zukunft in diese Richtung«, aber, so Kohl: »Wir sind ein föderal gegliedertes Land, und Autobahnen sind elementar – auch mit Recht – in der Oberhoheit der Länder. Der Zustand, den wir jetzt auf den Autobahnen haben, ist dergestalt, dass wir wissen, wann wir überhaupt nur noch von Go und Stop auf Autobahnen reden können.« Das lässt an Barlows böses Wort von »Kafka im Clownskostüm« denken.
    Die Politik, viele Medien und große Teile der Wirtschaft hierzulande verschliefen diese entscheidende erste Phase in der Geschichte des Internets und des World Wide Web nahezu vollständig.

Kapitel 6
     

Digital ist besser
     
    »Wer also glaubt, eine Kunst in Buchstaben zu hinterlassen, und wieder, wer sie annimmt, als ob aus Buchstaben etwas Deutliches und Zuverlässiges entstehen werde, der möchte wohl großer Einfalt voll sein und in der Tat den Wahrspruch des Ammon nicht kennen, indem er glaubt, geschriebene Reden seien etwas mehr als eine Gedächtnishilfe für den, der das schon weiß, wovon das Geschriebene handelt.«
Sokrates erklärt im Dialog mit Phaidros die Schrift für ein potenziell gefährliches Hilfsmittel. Aufgeschrieben hat das natürlich erst Platon.
     
»Mit geschriebenen Büchern nämlich lassen sich gedruckte nie auf die gleiche Stufe stellen. Denn um die Rechtschreibung und sonstige Ausstattung kümmern sich die Drucker gewöhnlich nicht.«
Johannes Trithemius, Abt von Sponheim, verteidigt in »De laude scriptorum« das handschriftliche Kopieren von Büchern gegenüber dem neumodischen Buchdruck. Geschrieben wurde das Buch 1492, gedruckt 1494.
     
    Meine ersten Arbeitszeiten am Computer waren Nachtschichten. Im Betrieb meiner Eltern stand ein PC mit einem für damalige Verhältnisse übergroßen Bildschirm – er konnte zwei Schreibmaschinenseiten nebeneinander darstellen – und einer für PC-Monitore sensationellen Eigenschaft: Der Bildschirmhintergrund war weiß, die Schrift schwarz. Eine willkommene Abwechslung gegenüber den Grünmonitoren, die Anfang der Neunziger noch die Büros dominierten. Auch in unseren Tagen noch gilt grüne Schrift auf schwarzem Grund als Inbegriff der Computerhaftigkeit. Sie taucht in Filmen wie »Die Matrix« auf und spiegelt sich in Brillengläsern, wann immer ein Journalist ein Symbolbild für »Hacker« braucht. Der rasende Wandel bringt immerfort solche seltsamen Anachronismen hervor. Wie die kleinen Telefonhörerpiktogramme, mit denen die Anrufannahmetasten von Handys markiert sind, obwohl beim Mobiltelefon längst kein Telefonhörer mehr abgehoben wird.
    Auf dem PC im Büro meiner Eltern lief eine revolutionäre Sofware namens PageMaker, die eine völlig neue Art des Publizierens ermöglichte: Desktop-Publishing. 1986 hatte der Hersteller Aldus einen Preis bekommen für die »beste neue Verwendung eines Computers«. Sechs Jahre später kam die elterliche High-Tech-Maschine meinen Klassenkameraden und mir sehr gelegen: Wir bastelten damit unsere Abiturzeitung. Ich habe diese nächtlichen Layoutsitzungen in bester Erinnerung. Wir tranken ungesunde Mengen Kaffee und Schwarztee, und mit fortschreitender Uhrzeit wurden alle Beteiligten immer übermüdeter und alberner. Am Ende zitterten uns die Hände, aber wir hatten die teure Technik bezwungen.
    PageMaker stellte Seiten auf dem Bildschirm tatsächlich so dar, wie sie aussehen würden, wenn man sie ausdruckte. Es war unsere erste Begegnung mit dem WYSIWYG-Prinzip: »What You See Is What You

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