Nerd forever
mehr davon«, sage ich.
»Gibt es nicht. Ich …«
»Gibt es nicht akzeptier ich nicht. Und jetzt geh und hol mir mehr von den Kapseln.«
Als er sich umdreht, schubse ich ihn ein wenig von hinten, sodass er über Otto fällt, der direkt hinter ihm gestanden hat.
Naja, das war jetzt unnötig und superfies. Aber gebt es zu. Ihr hättet auch gelacht, wie Calvin jetzt abfliegt und gegen einen
Bücherwagen fällt, der gegen ein Bücherregal rollt, das erst langsam hin und her schaukelt und dann gegen das nächste kippt und … ach Blödsinn. Soweit kommt es leider nicht. Calvin fällt einfach hin und die Opfer am L-Tisch lachen ihn aus.
Aber wo ist Nerdine?
Ich schaue auf meine 80 Millionen Freunde in Facebook und schicke Nerdine eine Freundschaftsanfrage. Die Antwort kommt prompt. Sie hat mich hinzugefügt. Damit hätte ich nicht wirklich gerechnet.
Ich frage sie: »Warum bist du nicht in der Bibliothek?«
»Es gibt Wichtigeres zu tun.«
»Was?«
»Das kann ich dir nicht sagen. Aber ich kann dir sagen, wem du vertrauen solltest.«
»Wem?«
»Deinen wahren Freunden.«
Der grüne Punkt neben ihrem Namen ist fort. Sie hat sich ausgeloggt. Was hat sie mir damit sagen wollen? Etwa, dass ich auf Bilbo Beutlin hören soll? Woher soll sie wissen, was er und ich eben gechattet haben? So ein Quatsch!
Frau Kastenholz sitzt an der Ausleihe. Sie soll die Aufnahmen vom Piranha-Diebstahl gestohlen haben? Bilbo ist durchgedreht. Zu viele Jahre im Auenland, das geht an keinem spurlos vorbei. Sie hat kein Motiv. Eine zierliche Frau wie sie, die keinem Schaden zufügt, die Opfern Schutz bietet? Wie sie so dasitzt und mit ihren kleinen Händen den klobigen Scanner hält, wirkt sie selbst noch fast wie ein Mädchen. Ihre Hände sind … Kinderhände! Ein Verdacht steigt in mir auf und ich gehe zu ihr. »Können Sie mir bitte einen Stift leihen, Frau Kastenholz. Ich müsste mir etwas notieren.«
Als sie ihn mir über die Theke reicht, sehe ich das winzige Muttermal zwischen Daumen und Zeigefinger. Tatsächlich. Ich ziehe das Handy vom Pizzaboten aus der Hosentasche und tue so, als ob ich etwas vom Display ablesen und aufschreiben möchte. Dabei fixiere ich in Wirklichkeit mit der Kamera ihre rechte Hand und drücke heimlich auf den Auslöser. Es macht leise rrrrrrtschhh und …
»Hast du gerade fotografiert?«
Ich schüttele den Kopf.
»Warum hast du meine Hand fotografiert?«
»Habe ich nicht«, lüge ich, aber ich kann schlecht lügen. Sogar als THE DARK NERD gelingt es mir nicht.
Frau Kastenholz rückt sich ihr Namensschild zurecht. »Gib mir bitte mal dein Handy.«
»Ist nicht meins.«
»Gib es mir.«
»Nein«, sage ich. »Ich muss weg«, und gehe schnurstracks aus der Bibliothek.
Kapitel 40
»Von wem ist die Hand?«
Gerade rechtzeitig, um auf dem Flur Hausmeister Bissig in die Arme zu laufen.
»Na, wen haben wir denn da? Unseren Nerd.« Er deutet mit erhobenem Zeigefinger auf mich, als wolle er mich abschießen. »Ich krieg dich. Garantiert.«
»Ich habe den Dieb«, sage ich.
»Ich auch«, entgegnet er und versperrt mir mit seinem Rollstuhl den Flur. »Nämlich dich!«
Ich zeige ihm das Handyfoto. »Könnte es sein, dass dies die Hand des Diebes ist? Muttermal und Handform stimmen überein. Eine Kinderhand …«, sage ich und grinse.
»Woher hast du das? Von wem ist die Hand?«
Ich schweige. Nicht, weil ich Elisabeth Kastenholz schützen will, sondern weil ich schlichtweg keine Lust habe, es Rudolf Aldidas Bissig und diesem dämlichen Direktor Dr. Schmitt zu sagen. Ich mag die beiden nicht. Bissig schaut intensiv auf das Handyfoto. Sicherlich fragt er sich, wo ich das Foto aufgenommen habe. Seine Stirn liegt in Falten.
»Okay, genug geguckt«, sage ich und gehe an ihm vorbei.
Er dreht sich erstaunlich schnell mit seinem Rollstuhl und fährt mir hinterher. »Bleib stehen!«
Nein, das bleibe ich nicht. Ich erreiche die Treppe. Hier auf den Stufen kann er mich mit seinem Rollstuhl nicht verfolgen. THE DARK NERD hat ihn ausgetrickst. Da steht Bissig auf! Er rennt sofort hinter mir die Treppe runter. »Gib mir das Handy!«
Niemals! Ich laufe. Die Stufen fliegen nur so unter mir weg. Meine Beine wirbeln. Bissig ist schnell. Ich kann seinen Atem spüren. Da fasst er mich an der Schulter, reißt mich zurück, ich falle, er fällt, es geht noch ein paar Stufen abwärts, dann fällt er auf mich. AUA! AUA! AUA! Ich komme mir vor wie der neue ultradünne Flatscreen von Samsung. Platter geht nicht. Falls er
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