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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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bekommen.
    Während der Kaiser noch mit den Chatten plauderte, schlich der Agrigentiner hinweg, um die Kaiserin-Mutter mit ihrer Gefolgschaft am Vestibulum zu bewillkommnen.
    »Herrin,« sprach er, »ich bitte, beeile dich! Wenn dir's genehm ist: hier durch die Seitenthüre! Vor der Mündung des Ostiums stehen die Polstersessel der Botschafter.«
    »Wie? Schon jetzt?« fragte die Kaiserin, während ein helles Rot ihr Gesicht überflammte.
    »Ja, schon jetzt. Du hast dich nämlich zum Bedauern des Kaisers und der versammelten Väter etwas verspätet.«
    »Ich? Wieso? Wir sind pünktlich, wie die Soldaten zur Wachablösung. Sprich! Was bedeutet das?«
    Tigellinus, die größte Unterwürfigkeit heuchelnd, zuckte die Achseln. »Unser Herr und Gebieter hat es gewollt. Ich machte ihm Vorstellungen, aber er meinte, man dürfe die Chatten, die in so trefflicher Absicht gekommen seien, nicht warten lassen. Noch ist es ja vollauf Zeit, du Erlauchte! Noch kann dem weltgeschichtlichen Akte durch dein Erscheinen die letzte Weihe gespendet werden.«
    Agrippina fieberte. Ohne auf Acerronia und die sonstige Gefolgschaft zu warten, schritt sie majestätischen Ganges durch die vorderste Thüre der Linkswand.
    Die Senatoren erhoben sich. Agrippina wandte sich nach dem Podium.
    Da stieg Nero, alle Bitternis, die in ihm aufquoll, bekämpfend, ruhig von dem Throne herab, eilte der Kaiserin-Mutter entgegen und begrüßte sie mit der üblichen zeremoniellen Umarmung. »Welch freudige Ueberraschung!« rief er – so hatte ihm Seneca diese Rolle entworfen – »Die Staatsgeschäfte sind nun beendet. Freuen wir uns jetzt doppelt der trauten Gemeinschaft in der Familie!«
    Das Murmeln des Beifalls, das die Mehrheit der Senatoren vernehmen ließ, zeigte der Fürstin die Vollständigkeit ihrer Niederlage. Sie fühlte, daß sie geradezu lächerlich wurde, wenn sie nicht gute Miene zum bösen Spiel machte. Die Meisterschaft ihrer Selbstbeherrschung feierte jetzt einen Triumph.
    »Ich danke dir,« sprach sie, den Sohn auf die Stirn küssend, »daß du so rasch und so glücklich eine höchst schwierige und verwickelte Angelegenheit zum Schlusse geführt hast. Es scheint mir, die edlen Männer, die hier versammelt sind, Römer wie Chatten, warten darauf, daß sie der Cäsar verabschiedet. Dies erledige noch! Vermelde ihnen den herzlichen Anteil, den ich an dem Gelingen des Freundschaftsbundes genommen habe, und folge uns dann zum Frühmahl nach dem kleinen Triclinium!«
    Würdevoll grüßend entfernte sie sich. Innerlich aber kochte ihr die empörte Seele vor Wut und herzzerfressendem Haß.
    »Ein Werk des Seneca!« knirschte sie durch die Zähne, als sie bei Acerronia vorbeikam. »Ich habe es wohl bemerkt, wie der Schurke seit einiger Zeit lau wurde und verlogen. Die Mär von diesem Ereignis wird hinausdringen in die Stadt, in das ganze latinische Land, in alle Provinzen. Mein Ansehen ist unwiderruflich erschüttert. Allerorts wird es heißen: ›Agrippina hat abgedankt . . .‹ Abgedankt? Nun und nimmer! Die Zeit soll's lehren! Geduld nur und Mäßigung! Hüte dich, Acerronia! Kein Mensch unter dem Himmel des Jupiter, und er, der Undankbare, am wenigsten, darf eine Ahnung haben, wie tief mir dieser schreckliche Stoß in die Brust gedrungen. Der Pöbel würde sonst jauchzen. Geduld, nochmals Geduld! Ganz unmerklich kann ich zurückerobern, was er mir abgetrotzt. O, ich verstehe ihn! Das war die Rache für Acte! Nun freut's mich doppelt, daß ihr götterverfluchter Leib den Fischen zum Fraß geworden!«
     

Neuntes Kapitel
     
    Der Obersteuermann und die beiden Matrosen, die aus der schrecklichen Katastrophe ihrer Bireme mit dem Leben davongekommen, wußten über die Freigelassene des Nicodemus keinerlei Auskunft zu geben. Alle Welt war der Meinung, Acte sei, wie die übrigen Insassen des verunglückten Fahrzeugs, ertrunken. Wo stämmige Gallier und muskelstarke Iberier im Kampf mit der feindlichen Meerflut zu Grunde gegangen, wie sollte da ein zartes, rosiges Mädchen obgesiegt haben?
    Gleichwohl irrte man sich.
    Eh' noch der Zweiruderer ganz in die Tiefe sank, hatte sich Acte, eine der losgesplitterten Planken der Brüstung ergreifend, jäh über Bord gestürzt. Heil und ihrer Sinne noch mächtig, tauchte sie aus dem gurgelnden Schlunde wieder empor, immer die Planke wider den Busen pressend, und aus dem Bereich der Matrosen steuernd, die nach kurzem qualvollem Ringen sämtlich im Gewoge verschwanden; denn die Schiffsleute von Beruf waren

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